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1] Hlene Hauptmann, (unverheiratete) Tochter des Thomaskantors Moritz Hauptmann (1792-1868), wechselte dann im November 1891 vom Haushalt Hedwig von Holsteins zu dem der von Herzogenbergs, um in San Remo die schwerkranke Elisabeth von Herzogenberg zu pflegen. Nach deren Tod am 7.1.1892 blieb sie als Haushälterin bei Heinrich von Herzogenberg bis zu dessen Tod am 9.10.1900.
[2] Ernst Wilhelm Fritzsch (1840-1902), Leipziger Musikverleger, bei dem Herzogenberg seine größeren Opera der Grazer Jahre (1868-1872) veröffentlichen konnte: op.11 Columbus. Eine dramatische Cantate für Soli, Männerchor, gemischten Chor und großes Orchester, op.14 Deutsches Liederspiel (aufgeführt in Heiden bei den Herzogenberg-Tagen 2001), op. 16 Odysseus. Symphonie für großes Orchester (1873 erschienen). Möglicherweise verwechselt Hedwig von Holstein hier die Namen Columbus und Odysseus, da Columbus op.11 kaum als „Concert-Sonate“ bezeichnet werden kann.
[3] Das im Frühjahr 1873 auch in Graz aufgeführte Werk „Nanna’s Klage“ auf einen Text von Wilhelm Jordan ist nicht erhalten. Als op. 59 veröffentlichte Herzogenberg 1887 ein gleichnamiges Werk für Sopran- und Alt-Solo, kleinen Chor und Orchester, welches wahrscheinlich auf dieser Frauenchor-Komposition fußt. (S. die Angaben dazu im Werkverzeichnis bei B.Wiechert, S.286).

[4] Oper von Franz von Holstein, uraufgeführt am 23.1.1872 in Leipzig.

[5] R.Schumann (1810-1856), Fantasie C-Dur op.17 (erschienen 1836).

 

„Habe ich dir schon von diesen Leuten erzählt?“

Ein zeitgenössisches Briefzeugnis über Elisabeth und Heinrich von Herzogenberg

 

Der in Leipzig ansässige Komponist Franz von Holstein (1826-1878) und seine Frau Hedwig von Holstein waren mit dem aus Vaduz stammenden, Münchner Komponisten Josef Rheinberger (1839-1901) und seiner Frau Franziska von Hoffnaaß befreundet. Als Elisabeth und Heinrich von Herzogenberg 1872 nach Leipzig übersiedelten, ergab sich bald ein dauerhafter freundschaftlichen Kontakt auch mit ihnen. (Franz von Holstein gehörte dann 1875 zu den Mitbegründern des Leipziger Bach-Vereins, den Herzogenberg fast 10 Jahre lang leiten sollte.) Im von H.Wanger und H.J.Irmen herausgegebenen Rheinberger-Briefwechsel ist aus einem Brief von Hedwig von Holstein an Franziska von Hoffnaaß mit Datum vom 15.März 1873 folgende Passage wiedergegeben:

 

„Neulich sang unsere Helene (1) Euren Liederzyklus, den wir so leidenschaftlich lieben. Herzogenbergs hörten ihn & schienen frappirt über die Simplicität. Habe ich Dir schon von diesen Leuten erzählt? Ich muß sie Dir schildern, denn sie sind, ohne unser Zuthun, wie von selbst in unsern engern Freundeskreis getreten, in den sie passen, als wären sie von jeher darin groß geworden. Er ist Musiker vom Fach, d.h. wie mein Franz, er schreibt & läßt drucken – hat aber keine Anstellung und will keine. Auf dem Wiener Conservatorium gebildet, lebte er meist in Graz, wo einige Compositionen von ihm aufgeführt wurden, u.a. der "Columbus", eine Concert-Sonate. Seine Sachen stoßen beim ersten Hören jeden natürlichen Menschen ab, sie sind in Brahms’scher Art geschrieben, die Betonung fällt meist auf den schlechten Tactteil, & man kann vor Syncopen nicht treten, die Melodie hat keinen Fluß oder es ist gar keine da. Trotzdem haben diese Compositionen fast alle einen hochpoetischen Reiz, sie sind tief empfunden & trefflich gearbeitet, wie F(ranz) sagt. Mit der Zeit singt & spielt man sich hinein & lernt sie lieben. Wir studiren jetzt ein Chorwerk mit Solo „Deutsches Liederspiel“, bei Fritzsch (2) erschienen, & „Nanna“ (3), ein Quartett für Frauenstimmen, welches beides uns vollständig gefangen genommen hat während des Übens.

Franz und Herzogenberg verstehen sich als Menschen & als Cavaliere vortrefflich. Sie haben dieselbe Erziehung gehabt, mit denselben Vorurtheilen kämpfen müssen, & haben dieselbe seelische Feinheit, dieselbe Liebe für die bildenden Kunst. In der Musik aber stehen sie sich gegenüber wie Feuer & Wasser, sie können sich rein gar nicht verständigen. Der reine Wohlklang scheint Herzogenberg eine Verwöhnung des Ohrs, & Franzen ist er erstes Bedürfnis. Brahms ist Herzogenberg zu einfach, meinem Mann zu gesucht. Ihr könnt Euch denken, was Herzogenberg vom Erben von Morley (4) hält, & mit welchem sauren Gesicht Franz uns zuhört, die Herzogenberg’schen Chöre einüben. Und beide lieben sich zärtlich & wünschen sich herzlichst Gedeihen & Vorwärtsschreiten auf ihrem Wege.

Frau von Herzogenberg ist die Tochter des vormaligen hannoverschen Gesandten in Wien, von Stockhausen, streng aristokratisch erzogen & durch ihre Heirath mit einem Künstler frei geworden. Sie ist jung & von so zarter Schönheit, daß man eine Peri zu sehen glaubt. Sie hat eine solche Begabung für die Musik, wie wir sie in keiner Frau gefunden haben; sie weiß alles auswendig, z.B. hatte sie die Schumannsche Phantasie (5) seit 3 Jahren nicht gespielt, wir kamen im Gespräch darauf, & es handelte sich, eine Stelle zu vergleichen, da spielte sie das ganze Stück mit wenigem Zögern oder Besinnen, ohne Anstoß auswendig. Zu diesem Musikleben & zu ihrer superfeinen Cultur paßt sehr wunderlich ihre Leidenschaft für die edle Kochkunst. Wenn wir bei ihnen sind, hat die närrische Frau die wundersamsten Speisen mit höchster Sorgfalt selbst gekocht, weil ihr Mann das liebt. Das Zusammenleben dieser beiden ist reine Wonne mit anzusehen, er trägt sie auf Händen, & sie verachtet die Menschen, die sie mehr lieben als ihren Mann. –

Wir sind durch Fritzsch mit ihnen bekannt geworden, die Einrichtung so harmonisch & echt künstlerisch, wie die blaue Grotte mit den 2 angrenzenden Zimmern."

 

 

1 Helene Hauptmann, (unverheiratete) Tochter des Thomaskantors Moritz Hauptmann (1792-1868), wechselte dann im November 1891 vom Haushalt Hedwig von Holsteins zu dem der von Herzogenbergs, um in San Remo die schwerkranke Elisabeth von Herzogenberg zu pflegen. Nach deren Tod am 7.1.1892 blieb sie als Haushälterin bei Heinrich von Herzogenberg bis zu dessen Tod am 9.10.1900.

2 Ernst Wilhelm Fritzsch (1840-1902), Leipziger Musikverleger, bei dem Herzogenberg seine größeren Opera der Grazer Jahre (1868-1872) veröffentlichen konnte: op.11 Columbus. Eine dramatische Cantate für Soli, Männerchor, gemischten Chor und großes Orchester, op.14 Deutsches Liederspiel (aufgeführt in Heiden bei den Herzogenberg-Tagen 2001), op. 16 Odysseus. Symphonie für großes Orchester (1873 erschienen). Möglicherweise verwechselt Hedwig von Holstein hier die Namen Columbus und Odysseus, da Columbus op.11 kaum als „Concert-Sonate“ bezeichnet werden kann.

3 Das im Frühjahr 1873 auch in Graz aufgeführte Werk „Nanna’s Klage“ auf einen Text von Wilhelm Jordan ist nicht erhalten. Als op. 59 veröffentlichte Herzogenberg 1887 ein gleichnamiges Werk für Sopran- und Alt-Solo, kleinen Chor und Orchester, welches wahrscheinlich auf dieser Frauenchor-Komposition fußt. (S. die Angaben dazu im Werkverzeichnis bei B.Wiechert, S.286).

4 Oper von Franz von Holstein, uraufgeführt am 23.1.1872 in Leipzig.

5 R.Schumann (1810-1856), Fantasie C-Dur op.17 (erschienen 1836).

 

 

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