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Die letzten Briefe zwischen Johannes Brahms und Heinrich von Herzogenberg

 

nach Max Kalbeck (Hg.): Johannes Brahms im Briefwechsel mit Heinrich und Elisabet von Herzogenberg, Bd. II, Berlin 1907

 

     (Ischl) 8. August 1895

Lieber Freund.                                                                                               

Ihre Sendung habe ich diesmal mit besonderer Freude in die Hand genommen. Vor allem, weil ich von Engelmann gehört hatte, Sie seien augenleidend in Graz! Nun kommt mir der Gruß aber aus Ihrem Heim und mit Ihrer freundlichen Handschrift – so darf ich wohl beruhigt sein. Hernach aber freute ich mich wieder, daß Sie, trotz so sehr ernsten Lebens und Strebens den lieblichen Eichendorff nicht vergessen – wohl unser aller jugendliche Schwärmerei.

Wehmütig genug freilich sprechen und klingen die Lieder, aber sie lassen an so unvergeßlich Liebes und Schönes denken, daß man nicht trüb und traurig wird.

Gern hörte ich mit ein paar Worten, wie es Ihnen geht, aber ein so fleißiger Mann wie Sie hat eigentlich immer schon geantwortet.

So seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem, sich im behaglichsten Genießen sehr wohl befindenden

J.Brahms

 

 

 Heiden, 11. August 1895

Lieber verehrter Freund!                                                                      

Das freut mich, daß meine Lieder mir ein so liebes Briefel eingebracht haben! Ich hätte zwar eher gedacht, daß das Kirchenoratorium in Species und Methode eine nette, warme, franke, zustimmende oder ablehnende Äußerung von Ihnen erleben würde. Ich gestehe auch, daß ich mich ein Weilchen darauf gefreut hatte; dann kam aber die teuflische Augenentzündung, und ich schloß geduldig die Augen und besah mich von innen. Es ist nicht hübsch, kann ich Ihnen sagen, wenn die Welt so ratzenkahl um einen wird.

Recht lieblich wäre es jetzt für mich, Klarinettensonaten zu lesen (...)

Hoffentlich wird mir’s dies Jahr so gut, daß ich Frau Schumann in Interlaken aufsuchen kann. Wollen Sie dann nicht auch ‚mal hin? Mit kleinem Abstecher nach Heiden?

Ich führe Sie inkognito über Rapperswyl und Brüning zu ihr. Um Ihre „behaglichen Genüsse“ könnte ich Sie beneiden; ich glaube immer noch, daß ich ‚was machen müsse – beten Sie für mich!

Ihr getreuer Herzogenberg

 

 

 (Ischl, Juni 1896)

Lieber Freund.                                                                                                  

Es ist überhaupt traurig, daß man so wenig voneinander hört – aber durch Briefschreiben kann ich mir das schwerlich verdienen! Nun möchte ich Sie aber um Ihre sommerliche Adresse bitten. Ich habe nächstens eine Kleinigkeit zu schicken – die Sie veranlassen kann, mich in Ihrer neuen Zeitung wegen unchristlicher Gesinnung anzugreifen! Anderes nicht so Bedenkliches, aber nicht für den Druck Geeignetes hätte ich gar gern am Klavier mitgeteilt.

Aber nach Österreich und zwar nach Ischl kommen Sie wohl nicht!

Jedenfalls bitte ich um Ihre Adresse und grüße herzlichst Sie und Ihre liebe Hausgenossin.

                        Ihr J.Brahms

 

 

 Heiden bei Rorschach, Schweiz, 1. Juli 1896.

Lieber, verehrter Freund!                                    

Ja ist’s denn heute Sonntag, daß mir so was Liebes begegnet? Ein so netter, netter Brief von Ihnen, und mit so spannenden Aussichten auf heidnische Musik – überhaupt Musik! Gott’s Donner, da will ich auch gleich verraten, daß wir seit Anfang Juni hier sind, viel unnützes Zeug komponieren und uns viel anregen und anregen lassen von Muttern Natur, die’s verantworten muß.

Die beste Methode, ins Ausland Musikalien zu schicken, ist: „Geschäftspapiere, rekommandiert“ – dies so beiläufig; am gescheitesten ist’s aber, man setzt sich mit seinen Noten auf die Eisenbahn. Bei uns wäre der ganze August still; warum sollten Sie nicht wieder einmal in die Schweiz kommen? Fahre ich doch gegen Ende September über Graz nach Berlin. Finde ich Sie da noch in Ischl? Ich könnte leicht den kleinen Abstecher noch einfügen; oder träfe ich Sie circa 29. September in Wien?

Was meine neugewaschene Kirchlichkeit betrifft, so erinnere ich Sie an das Sprichwort: „Wer nicht glauben will, muß fühlen“ – glauben tu‘ ich gar nichts, also empfinde ich ‚was.

Und heute schon gar!

Helene sagt alles Schöne, sowie Ihr Herzogenberg.

 

 

  Heiden, 15. Juli 1896.

Verehrter Freund!                                                                                    

Besten Dank für die „Ernsten Gesänge“ – Sie wissen doch immer neue Überraschungen zu bereiten! Wer ist vor Ihnen auf die Idee gekommen, Bibelworte in freier, von jeder kirchlichen oder liturgischen Verbindung gänzlich unabhängiger Weise zu komponieren! Was werden nur die Sänger damit machen? Ich sehe sie schon nach Tisch im Salon von Denen singen, „Die noch wohl essen mögen“; denn die Dummheit hat keine Grenzen. Ich frage mich allen Ernstes, wo gehören sie hin? Denn ein bißchen Gelegenheitsmusik muß doch alles sein. Sie können dazu die Achseln zucken, und haben Ihre Freude vorweg, Stücke von so herrlicher Tiefe geschaffen zu haben; und ich, Sie in Ihrer Technik und Ihrem Ausdruck anstaunen zu können. Vor allen das III.! Wie herrlich schwelgt es sich im E dur-Teile; man kann’s förmlich nicht erwarten, mit so vollen, lieblich herben und sehnsüchtig weichen Harmonien hinübergezogen zu werden! Und die schöne H dur-Melodie in Nr. IV, und die ganze Nr.II! Mit allem geht’s nicht so rasch, und das ist das Schöne, das überall noch Neues hervorwachsen wird.

Und so zucke ich schließlich auch die Achseln und überlasse es meinen Freunden, den „Pfaffen“, die schon lüstern ausgestreckte Zungen wieder resigniert einzuziehen.

Und wo sehe ich Sie? In Heiden? In Ischl? In Wien?

In alter aufrichtiger Verehrung Ihr herzlich ergebener H. Herzogenberg.

 

 

                                                                                                            (Ischl, 21. Juli 1896)

Die gute Aufnahme meiner Schnaderhüpfeln bei Ihnen hat mich außerordentlich erfreut, und ich danke bestens! Ein Wiedersehen darf ich wohl erst hier oder in Wien erhoffen. Ich bitte daher, ehe Sie die Fahrt antreten, anzufragen, ob ich hier oder dort bin! Auf ein paar gemütliche Tage möchte sich gern freuen Ihr herzlich grüßender

J.Br.

 

Karlsbad, 15. September 1896.

Lieber Freund.                                                                            

In Ischl treffen Sie mich keinesfalls. Einstweilen bin ich hier in Karlsbad, versuche aber bis jetzt vergebens, das bißchen Gelbsucht zu vertreiben. Zum 28. hoffe ich in Wien zu sein. Sie halten sich dort wohl jedenfalls auf? Sonst könnte seinerzeit Genaueres melden

Ihr herzlich grüßender J. Br.

 

 

 Berlin W 62, Kurfürstendamm 263. 26. März 1897.

Lieber verehrter Freund!                           

Zwei Dinge kann ich mir nicht abgewöhnen: Daß ich immer komponiere, und daß ich dabei ganz wie vor 34 Jahren mich frage, „was wird Er dazu sagen?“

„Er“, das sind nämlich Sie. Sie haben nun zwar seit längeren Jahren nichts dazu gesagt; was ich mir deuten mag, wie ich will. Meiner Verehrung für Sie hat es aber keinen Eintrag getan. Und so betone ich sie wieder einmal durch eine Zueignung, die Sie mir freundlich zugute halten mögen!

Meine Gedanken sind jetzt mehr wie je bei Ihnen, da ich Sie leidend weiß. Möge das Frühjahr die Möglichkeit einer Luftveränderung bringen; ist sie auch nicht immer direkt von medizinischem Werte, so erfrischt und ermuntert sie doch den Organismus und hebt die Stimmung. Und daß hiervon die Genesung abhängen kann, leugnet kein Arzt.

In alter Treue und Verehrung Ihr H. Herzogenberg.

 

 


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