Herzogenberg und Heiden
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Wieder ein Mosaikstein mehr:

Die Wiederentdeckung der ersten Symphonie


Am 19. Juni 2002 erreichte mich eine e-Mail-Nachricht von Andres Stehli, als Anlage beigefügt das Schreiben eines Herrn aus England, der eine Frage zu Heinrich von Herzogenberg hatte und durch eine Recherche im Internet auf die von Andres Stehli eingerichtete Herzogenberg-Website gelangt war. Nichts Ungewöhnliches bis hierhin. Was aber dieser Mark Thomas in naiv anmutenden Worten schrieb, ließ meinen Puls augenblicklich beschleunigen. Da stand, er besitze einen Radio-Mitschnitt der c-Moll-Symphonie op. 50 von Herzogenberg, eingespielt von der Basler Orchester-Gesellschaft unter Hans Vogt, und wüsste gern die genauen Bezeichnungen der einzelnen Sätze. - Ich war entzückt: Die erste konkrete Spur zum Notenmaterial dieser Symphonie! Denn wenn es eine Einspielung gab, dann mussten irgendwo auch die Orchesterstimmen existieren. Und nach denen war ich in fast kriminalistischer Manier seit Jahren erfolglos auf der Suche. Herzogenberg hat insgesamt zwei Symphonien veröffentlicht, 1885 die besagte in c-Moll und 1890 eine zweite in B-Dur op. 70. Obwohl von beiden Werken Partitur und sogar Orchesterstimmen in kleiner Auflage gedruckt worden waren, blieben letztere zur 1. Symphonie unauffindbar, auch an den Orten, wo es zu Herzogenbergs Lebzeiten nachweislich Aufführungen gegeben hatte. An diesem Manko scheiterte dann auch die Verwirklichung einer CD-Ersteinspielung beim Klassik-Label cpo, die nur für beide Symphonien gemeinsam in Frage gekommen wäre.
 
Die e-Mail-Nachricht setzte sogleich alle Hebel in Bewegung: Mr. Mark Thomas erklärte sich bereit, eine Kopie seines Radio-Mitschnitts nach Deutschland zu schicken. Wie sich herausstellte, stammte die Basler Einspielung unter Hans Vogt aus dem Jahr 1960; das Originalband dieser im Rundfunk gesendeten Aufnahme befindet sich im Besitz von Schweizer Radio DRS (Zürich). Der Archivkarte war dann der Vermerk zu entnehmen, dass man seinerzeit das Orchestermaterial von der Allgemeinen Musikgesellschaft Basel ausgeliehen hatte, die heute wiederum zur Stiftung Basler Orchester gehört. Nach zwei Tagen stand fest: ein komplett erhaltener Stimmensatz zur Symphonie op. 50 liegt im Notenarchiv des Basler Sinfonieorchesters und harrt nun der musikalischen Wiedererweckung. Auch einer CD-Produktion mit beiden Symphonien steht nun nichts mehr im Wege, erste Schritte dazu wurden bereits eingeleitet. Wieder ein Mosaikstein mehr! Einmal mehr bestätigt sich: Die Schweiz war und ist ein gutes Pflaster für Heinrich von Herzogenberg.
 

Bernd Wiechert


 
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