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Heinrich und Elisabeth von Herzogenberg im Blickwinkel von Edvard Grieg und Julius Röntgen   

 

Edvard Grieg (1843 – 1907)
gilt als norwegischer Nationalkomponist. Er empfing seine musikalische Ausbildung allerdings 1858 bis 1862 auf dem Leipziger Konservatorium und setzte sich erst später bewusst vom da vermittelten Klassizismus ab. Obgleich Grieg sein weiteres Leben überwiegend in Norwegen sesshaft war, verkehrte er durch engen, auch freundschaftlichen Kontakt zu seinem Verleger im Verlagshaus Peters oft in Leipzig und lernte hier auch die Herzogenbergs kennen und freundschaftlich schätzen. Heinrich von Herzogenberg war nur exakt fünf Tage älter als Grieg ...


Julius Röntgen

(1855 – 1932), Spross einer in Leipzig ansässigen Musikerfamilie mit holländischen Wurzeln, hatte als Student die ersten Leipziger Jahre der Herzogenbergs miterlebt und mehrfach an Aufführungen des Bach-Vereins unter Herzogenberg mitgewirkt, woraus eine lebenslange Freundschaft resultierte. Der als Klaviersolist und Liedbegleiter international agierende Künstler war seit 1878 in Amsterdam Lehrer und später Direktor der Musikschule, zugleich Chordirigent. (Er brachte 1895 Herzogenbergs Messe zur Aufführung.) Als Grieg 1883 zu Konzerten in Amsterdam weilt, entwickelt sich eine Freundschaft zu dem Norweger, bei der die gemeinsame Vertrautheit mit den Herzogenbergs offenbar eine wichtige Rolle spielt.

Im (publizierten) Briefwechsel von Julius Röntgen und namentlich in den mit Edvard Grieg ausgetauschten Briefen finden sich zahlreiche Passagen, die das Freundschaftsdreieck Grieg – Herzogenberg – Röntgen belegen und ein besonderes Licht auf Heinrich und Elisabeth von Herzogenberg werfen.


Röntgen an Herzogenberg

Amsterdam, 30. Dezember 1883
Wir haben jetzt hübsche Zeit mit unsern lieben Gast Grieg, dessen anfänglich kaum 24 stündiger Aufenthalt sich auf mehrere Wochen hinaus ausgedehnt hat. Da Du ihn kennst und lieb hast, brauche ich nichts von ihm zu schreiben.



Röntgen an Grieg

Amsterdam, 11. Juni 1884
In Leipzig hatten wir schöne Tage zu Ostern, die Matthaeus Passion war herrlich, wenn auch die Aufführung im Jahr vorher unter Herzogenberg viel besser war. Herzogenberg`s fand ich wohl, die Frau beinahe wieder hergestellt. Wir haben viel zusammen musicirt. Nach einer Orgelfantasie von Herzogenberg sagte der Kleine, der aufmerksam zugehört hatte: „Das ist ja Bach“, was uns viel Spaß machte.

Amsterdam, 28. Dezember 1884

Herzogenbergs geht es gut – er ist wie gewöhnlich fleißig und hat eine ganze Symphonie geschrieben!

Amsterdam, 22. September 1885
Dieser Tage sind Herzogenbergs nach Berlin übersiedelt und wir haben sie als Nachbarn begrüßt, da sie jetzt durchgehenden Wagen nach Amstdm haben. Diesen Winter wollen sie uns besuchen, sie waren nie in Amstdm. Denken Sie, daß am selben Tag, wo Hzbg nach Berlin kam, sein Vorgänger Kiel gestorben ist. Das nenne ich ablösen! –



Der folgende Brief nimmt auf den Tod von Elisabeth von Herzogenberg am 7. Januar 1892 Bezug.

Grieg an Röntgen
Troldhaugen, Hop Station pr. Bergen (Norwegen) 3. April 1892

Lieber Freund!
Soeben habe ich an Herzogenberg geschrieben. Für mich sind die Begriffe Herzogenberg und Röntgen derart verwandt, dass es keine noch nicht dagewesenen Harmonien bedarf, um von dem Einen nach dem Anderen zu modulieren. Da es noch Sonntag ist, will ich die Gelegenheit benutzen um diese nah verwandte Tonart aufzusuchen. Doch, nach einer Dur-Tonart komme ich schwerlich. Denn wenn ich an Herzogenberg denke, wird die Stimmung trübe. Was sagst Du zu den bei Rieter-Biedermann soeben erschienenen Klavierstücken seiner Frau? Ist das nicht eine merkwürdige Hinterlassenschaft? Welch nobler Geist, welch inniges Empfinden, welch feiner Formensinn spricht sich in diesen Tönen aus! Dass sie eine seltene Erscheinung gewesen ist, war mir immer klar. Dass sie aber auch dieses leisten konnte, hätte ich nicht für möglich gehalten. Wie muss es dem armen Herzogenberg jetzt zu Muthe sein, wenn er dieses Notenheft mit ihrem palmenumschlungenen Namen durchblättert! Wohl uns, die wir eine solche Stimmung noch nicht erlebten. –


Im Jahr 1894 ereilte Röntgen dasselbe Geschick wie Herzogenberg: Seine Ehefrau Amanda verstarb (und hinterliess ihm zwei Kinder).



Röntgen an Grieg

Amsterdam, 3. Oktober 1894

Ich war die Sommerzeit mit den Meinigen zusammen, erst in Leipzig, dann in Oberstdorf in Bayern (der Ort wo Hedwig v. Holstein ihre Besitzung hat). In der Schweiz machte ich ganz allein große Bergbesteigungen; das that dem Körper gut und gab mir den verlorenen Schlaf wieder zurück. Ich besuchte auch Herzogenberg in seinem Haus am Bodensee – wir hatten uns viel zu sagen. Dort musicirte ich auch wieder und lernte ein neues großes Werk von ihm kennen, eine Messe, die im November in Berlin zuerst gemacht wird. Sie gehört zum Besten, was er geschaffen hat.



Die folgenden Passagen beziehen sich auf die Krankheit und den Tod Herzogenbergs.

Grieg an Röntgen
Kopenhagen, 5. März 1900. Hotel König v. Dänemark

Du schreibst Nichts über Herzogenberg. Hast Du ihn nicht gesehen? Ich bin sehr gespannt.



Röntgen an Grieg
Amsterdam, 15. März 1900

Hatte ich Dir nicht geschrieben, daß Herzogenberg schon seit October in Nervi ist? Ich hatte vor Kurzem einen (diktirten) Brief von ihm, in dem trotz des beklagenswerten Zustandes noch immer die alte geistige Frische und der Humor, über das eigene Leiden zu spotten, lebt. Joachim hat ihn kürzlich besucht. Ich werde ihn wohl nicht wieder sehen!


Amsterdam, 16. Mai 1900

Der arme Herzogenberg wird wohl nicht nach Berlin zurückkommen, er ist jetzt in Wiesbaden, wo ihn Messchaert gesehen hat, wie er in einem Wagen herumgefahren wurde. Er soll aber so entsetzlich ausgesehen haben, daß Messchaert nicht gewagt hat ihn anzureden. Ich will ihn aber besuchen, um ihn noch einmal zu sehen.

 

Grieg an Röntgen
Kristiania, 29. Oktober 1900, Voksenkollen Sanatorium

Lieber Freund!
Herzogenberg todt! Ich lese es in einer dänischen Zeitung. Gut, dass sein Leiden ein Ende hatte. Aber gar sonderbar und wehmutsvoll ist der Gedanke, dass die beiden lieben Menschen jetzt dahin sind! Ja, dahin, dahin! Die Blätter fallen. Es ist bald Zeit, daran zu denken, was das bedeutet. Und doch – ich lebe noch und freue mich in Deiner Freundschaft!



Ende 1906 erscheint als erster Band der Brahms-Briefausgabe der Briefwechsel Brahms-Herzogenberg. Das hat folgende köstliche Geschichte zur Folge:

Röntgen an Grieg

Amsterdam, 12. Dezember 1906
Gestern bekam ich die Brahms-Herzogenberg`schen Briefe und ich versenkte mich gleich in alte Zeiten, die durch diese Briefe so lebhaft wieder in Erinnerung kommen. Den Inhalt der Briefe habe ich ja zum größten Theil miterlebt ...


Grieg an Röntgen
Kristiana, 15. Dezember 1906, Hotel Westminster

Auch ich stecke tief in der Lecture der Briefe! Verzeih die „Anticipation“! Als ich Nina den Brief vorlas, wo Du mir das schöne Weihnachtsgeschenk ankündigst, hätte sie bald geheult. Aus einer Schublade nahm sie ein Paquet und warf es „unlustig“ auf den Tisch: Da ist das Buch, ich hatte es für dich zu Weihnachten kommen lassen! Tableau! Jetzt aber haben wir die Sache sehr schön eingerichtet. Halvorsen, bei dem wir am Christabend versammelt sind, erhält mein Exemplar und ich – freue mich auf das Deinige!

Wie sind doch diese Briefe interessant und schön! Ich denke Vieles für mich, weil ich nicht so geschaffen bin, wie das wunderbare Ehepaar. Leider bin ich nicht „so schön, so rein und hold“. Aber, welche hohe Gesinnung, welche reine Luft und welch tief inniges Verständnis für Brahms! Ich empfinde es als einen neuen Verlust, wenn ich daran denke, dass ich diese schönen, lieben Menschen nie wiedersehen werde! Werden sie Einem doch in diesen Briefen so lebendig, dass man sie ans Herz drücken möchte. Welche Freude für Dich, dass Du mit so viel Liebe umfasst wurdest!

 

Dieses war das letzte Weihnachtsfest, dass Grieg erlebte. Er starb am 4. September 1907.

 


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