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Schwebender Klang

Die Herzogenberg-Passion in der Neustädter Kirche

  
Kalt war es, extrem kalt in der durch den Orgelabbau noch zusätzlich seines klingenden Inhaltes beraubten Neustädter Kirche. Aber dem Akademischen Chor der FAU war es trotzdem gelungen, den nüchternen und dunklen Kirchenraum mit warmer musikalischer Glaubenszuversicht zu erfüllen. Es ist ja nicht einfach, für einen aus studentischen „Pflicht"-Mitgliedern und gerne aus geselligem oder musikwissenschaftlichem Antrieb mitsingenden Großchor passende Programme wie auch Konzerttermine zu finden.

Lag es an der zeitlichen Nähe zum Fasching, dass sich die Erlanger am ersten Wochenende der Fastenzeit trotz fehlender Klassik-Konkurrenz kaum in der Weite des Kirchenraumes einfinden wollten? So blickte der große Chor, die sehr guten Solisten und das klein besetzte, aber trotzdem klanglich ausreichende „Forchheimer Kammerorchester" denn etwas traurig auf die in etwa der Menge der Mitwirkenden entsprechende Zuhörergemeinde, in der man keinen der Kantoren-Kollegen und auch keine Uni-Vertreter erblicken konnte. Dies war aufgrund der Absichten des Komponisten Heinrich von Herzogenberg und seines Librettisten Friedrich Spitta doppelt schade, die sich in der Modernisierung der protestantischen Kirchenmusik besonders um die Einbeziehung der Gemeinde eingesetzt hatten.

Nach dem kurz zuvor entstandenen Weihnachtsoratorium „Die Geburt Christi" op. 90 (1894) vor drei Jahren präsentierte der Akademische Chor nun „Die Passion" op. 92 von 1895—97. Der Katholik (!) Herzogenberg war anfangs überzeugter Wagnerianer, was an einigen Stellen, wie dem mit heiklen Sprüngen so gar nicht liebreizenden Arioso „Christus hat uns ein Vorbild gelassen" selbst kurz vor seinem Lebensende noch wahrzunehmen ist. Anstelle eines wilden Geisselungsstücks à la „Weissage" zeigt Herzogenberg hier die Folgen für Christus als leisen, mit heikelster Chromatik gespickten Parsival-nahen Leidensgesang, den die sonst leider kaum beschäftigte Altsolistin Daniela Gunreben überzeugend ablieferte.

Die wichtigste Person des inneren Dramas ist der Evangelist, der von Robert Morvai in eindrucksvoller Weise verkörpert wurde. Jede seiner teils überleitenden, teils vorsichtig gestaltenden Rezitativi beginnt mit den jeweiligen Choraltönen. Besonders die auch in extremen Lagen stets perfekte Stimmkonzentration und Wärme muss hervorgehoben werden und verlieh dem Abend einen besonderen Zauber. Unterstützt wurde er teils dezent, teils aktiv vom einzigen Continuo-Spieler Andreas Jetter am Harmonium, was auch im Dialog mit Orchester und großem Chor dank spannender Registrierung einen tollen schwebenden, wohl gewollt süßlich Klang in den Raum brachte.

Der viel aktiver als bei Bach agierende Christus von Markus Oberholzer zeigte noble Stimmkultur in der Höhe und eine starke runde Tiefe; für die feinsten psychologischen Wandlungen der Figur war aber sein Stimm- und Gestaltungsmaterial nicht ganz ausreichend. Ähnliches galt für den die Tenor- bis Bass-Rollen verkörpernden Reinhard Krämer, der die finsteren Figuren Judas oder Pilatus etwas zu diesseitig und polternd darstellte, im Solisten-Ensemble allerdings ein solides Fundament ablieferte. Dort hatte die Sopranistin Katharina Bock ihre wenigen, aber überzeugenden Momente.

Der „Spiritus rector" Konrad Klek hielt trotz großer Distanzen den großen Apparat stets sicher zusammen und konnte besonders dank der sicheren Orchesterprofis der „Forchheimer" (Sonderlob für die drei Bratschen!) und des Continuos auf allzu intensive Zeichengebung verzichten und hoffentlich auch — trotz der wenigen Besucher — die sehr gut Aufführung „seines" Komponisten selbst genießen. 

MARKUS LUTZ

 
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