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Briefwechsel,
die es in sich haben ‒ einige besondere
Vertreter
1.
Elisabeth von Herzogenberg an Heinrich von Herzogenberg, Juli 1886
2.
Elisabeth von Herzogenberg an Johannes Brahms, Berlin, Oktober 1890
3.
Heinrich von Herzogenberg an Joseph Joachim, Nauheim, August 1891
4.
Johannes Brahms an Heinrich von Herzogenberg, Wien, Januar 1892
5.
Heinrich von Herzogenberg an Clara Schumann, Heiden, 29. Mai 1894
6.
Heinrich von Herzogenberg an Joseph Joachim, Berlin, 30. März 1897
1.
Elisabeth von Herzogenberg an Heinrich von Herzogenberg
als sich
Elisabeth in Berchtesgaden und Heinrich in Berlin aufhielt
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Juli 1883
"Ich habe eine wachsende Sehnsucht nach Dir,
manchmal packts mich so und macht mich so rabbiat, dass ich
im Moment nie wissen kann, was Du thust, und wenn mir jemand
Geld und Erlaubnis gäbe, nach Berlin abzufahren - ach! wie
flöge ich hin. [....] Oh weh, getrennt sein ist eine bittre
Nuss, und oft denk' ich, Dir muss es doch noch viel bitterer
sein, so ganz allein in der grossen Wohnung.
Aber wenn Du kommst, Heini! das wird freilich für Vieles
entschädigen, so süss wird das schmecken, Du Erdbeer, Du.
Mein Schatz, wie sollen wirs dem Himmel danken, dass
er's mit uns beiden so gut gemeint. Ob ich Dich heut noch
heiraten würde fragst Du! Ach Heinz! Jetzt erst recht; mir
ist als hätt' ich's damals im Traum gethan und würde es
jetzt im Wachen thuen. Noch tausendmal freudiger als
Wissende wie damals als Ahnende. Aber ein guter Instinkt
war's weiss Gott, der mich zu Dir zog, Heinrich, schau ich
mir all die Mandln rings umher an, die ich kenne, ich würde
mich bei keinem begreifen als bei Dir." |
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2. Elisabeth von Herzogenberg an Johannes Brahms (stark gekürzt)
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Berlin, 9. Oktober 1890
Verehrter Freund,
Ich habe oft genug das Glück gehabt, Ihnen zeigen zu können, daß ein neues Stück für mich ein Erlebnis ist, als daß ich zu fürchten brauchte, von Ihnen mißverstanden zu werden, wenn ich diesmal, wo zwei Ihrer Kinder bei uns eintrafen, mich schweigend verhielt. Heinrich hat Ihnen neulich geschrieben, daß mir's nicht gut ginge, und wirklich fühlte ich mich in dieser ganzen Zeit durch besonders starke Atemnot wie gelähmt, in physischen Bewegungen nicht allein; auch das bißchen Psyche, das in einem wohnt, partizipiert an solchem Herabgedrücktsein und läßt die Flügel hängen. Und doch, wenn mich etwas aufzurappeln vermochte, so war es ein Blick in Ihre Partituren, ein Spaziergang in die sonnenbeschienene Landschaft des neuen Quintetts, das von Wohllaut, milder Lieblichkeit, himmlischem Behagen so köstlich überfließt...
.... Gleich der Anfang nahm mich gefangen; ich fühlte mich beinahe in die Atmosphäre des G dur-Sextetts versetzt und fing mit einem so frohen Vorurteil die Bekanntschaft an, die einen denn auch nirgends enttäuscht. Und wie kommt es dem Verständnis entgegen in seiner wundervollen Übersichtlichkeit und gedrängten Knappheit, wie deutlich sind die Formenglieder, weil immer nur das Wesentliche gesagt wird, und jedes so ganz der Funktion entspricht, die es auszudrücken hat. Wieviel hätte jeder daran zu lernen, wenn er nicht vorzöge, einfach zu genießen. Könnte ich's nur bald hören, es sieht so klangfroh aus...
(Elisabeth geht sodann ausführlich auf die einzelnen Satzteile ein)
....Leben Sie für heute wohl, verehrter lieber Freund, laßen Sie sich innig dafür danken, dass Sie uns Ihre herrlichen Sachen gönnten; aber schicken Sie bald wieder und vor allem das Quintett mit Stimmen baldmöglichst an Joachim....
In alter Verehrung und Freundschaft Ihre getreue
Elisabeth Herzogenberg |
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3. Heinrich von Herzogenberg an Joseph Joachim
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Nauheim, 3. Aug. 91
Lieber verehrter Freund!
.... Meine Frau hat sich wirklich und, wie es den
Anschein hat, gründlich erholt. Seit den letzten schlimmen
Tagen Anfang Juni hat sie keinerlei Rückfall gehabt; das
Herz arbeitet gleichmässig und kräftig, und die Disposition
zu Athemnoth ist beinahe ganz geschwunden.
Sie kann sich auch schon kleine Spaziergänge zutrauen
und scheut sogar vor leisem Bergaufgehen nicht zurück.
Die Stählung der Nerven erwarten wir nun von dem
mässig-hohen, trockenen Klima von Heiden, das schon so
Manchem gute Dienste erwiesen hat. Nach dieser feuchten
Mulde hier wird uns der unendliche Horizont wohlthuen; auch
wird es eine Erlösung sein, die feinen süßlichen
Park-Ansichten hier mit kräftigen Matten und Tännenwäldchen
zu vertauschen und den lieben Gott wieder mal unverfälscht
zu genießen....
...Meine Frau grüßt Sie herzlichst; sie nährt ganz
heimlich die Hoffnung, daß es vielleicht von Ragatz nach
Heiden nicht weiter sei, als von Heiden nach Ragatz.
Ich komme über Feldkirch zu Ihnen, wo ich an den Altären
meiner Jugend ein wehmütiges Opfer bringen will. Ein
Schauplatz, den man seit der Jugend nie wieder betreten hat,
hat etwas Ergreifendes an sich.
Ihr getreuer
Herzogenberg |
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4. Johannes Brahms an Heinrich von Herzogenberg (auf den Tod von Elisabeth von Herzogenberg)
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[Wien, Januar 1892.]
Teurer Freund,
Ich kann Ihnen nicht schreiben, so sehr ich in Gedanken bei Ihnen bin. Es ist ein vergebliches Versuchen, Ihnen aussprechen zu wollen, was mich so ganz und innig erfüllt. Und Sie werden stumm sitzen in Ihrem Schmerz, keine Worte haben und auch keine zu hören verlangen.
Mit Sorge aber und allergrößter Teilnahme denke ich an Sie und könnte nicht aufhören, zu fragen.
Sie wissen, wie unaussprechlich viel ich an Ihrer teuren Frau verloren habe, und können danach ermessen, mit welchen Empfindungen ich an Sie denke, der Sie ihr verbunden waren, wie es nur Menschen sein können.
Wenn Sie erst irgend gestimmt sind, an sich und andre Menschen zu denken, so lassen Sie mich doch erfahren, wie es Ihnen geht, und wie Sie weiter zu leben denken.
Wie wohl würde es mir tun, könnte ich nur still bei Ihnen sitzen, Ihre Hand drücken und mit Ihnen der Lieben, Herrlichen gedenken!
Ihr Freund J. Brahms |
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5. Heinrich von Herzogenberg an Clara Schumann,
Gattin Robert Schumanns
Sie hatte ihrerseits einen Besuch in Heiden für den 13. Juni in Aussicht gestellt.
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Heiden, 29. Mai 1894
Verehrteste
Am schnellsten reisen Sie meines Wissens über Heidelberg - Stuttgart - Friedrichshafen (immer Schnellzug), von Friedrichshafen per Schiff nach Rorschach. Auf dem Schiff müssen Sie aber dem Capitän sagen, daß Sie nach Heiden wollen, dann steckt er ein lustiges Fähnchen auf den Mast, und der Zug wartet auf Sie in Rorschach, der sonst im Juni dummerweise 5 Min. früher abdampft. -
Auch über Constanz ist es sehr hübsch zu fahren, und zwar von Offenburg aus mit der schönen Schwarzwaldbahn. Übernachten im köstlichen Juvelhotel, dann wohl am besten per Bahn nach Rorschach, da die Seefahrt 3 Stunden dauert und Sie in Friedrichshafen Schiff wechseln müßten.
Aber hübsch Wetter sollte der liebe Gott machen, sonst gefällt's Ihnen am Ende gar nicht bei uns! . . . . Ihr ergebener Herzogenberg |
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6. Heinrich von Herzogenberg an Joseph Joachim,
im Hinblick auf Brahms gesundheitlichen Zerfall:
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Berlin 30. März 1897
Lieber Joachim!
Es hat etwas Tragisches an sich, dass eine Kraftnatur wie Brahms verurtheilt ist, allen Phasen der Zerstörung des Irdischen an ihm mit so hellen Augen zuzusehen! Wie ein angeschmiedeter Prometheus lernt er in später, aber harter Zucht sich dem physischen Leiden zu beugen. Er, der in Kraft und Gesundheit so Stolze und Selbstbewusste, der ein gutes Recht hatte, sich daran ein Verdienst zuzumessen, wird nicht nur körperlich gebeugt und gebrochen, sondern auch in seinem innersten Wesen gedehmüthigt. Das Leiden und der Tod ist an sich kein Übel, wenn der Mensch sich innerlich in Harmonie dazu bringen und erhalten kann! Hoffen wir, dass auch dies seiner starken Seele, seinem grossen Herzen gelingen wird; nach schweren Kämpfen, von denen wir wohl nie etwas erfahren werden. Mir würde es sein Andenken verdunkeln, wenn ich an diese Wandlung nicht glauben dürfte. Und warum sollte sich der Sänger des Deutschen Requiem nicht bis zur begeisterten Stimmung des VII. Satzes erheben können, wenn der dunkle unbekannte Freund an ihn herantritt? Ich habe ihm mein letztes Clavier Quartett gewidmet und mit einem Brief zugeschickt: ich freue mich, dass ich's gethan habe, wenn auch seinerseite kaum mehr ein Anteilnahme vorauszusetzen war. Seit 35 Jahren frage ich mich bei jedem Notenkopf: was wird Brahms dazu sagen? - der Gedanke an ihn und sein Urtheil hat aus mir gemacht, woviel eben wurde; er war mein Fleiss, mein Ehrgeiz, mein Muth. Und nun soll dieser Meeresstern für mich erlöschen! Dass wir Beide wieder enger zusammenrücken sollen in gemeinschaftlicher Arbeit, ist mir von grösstem Werth, lieber Joachim! Erhalten Sie mir Ihre Güte und Ihr Vertrauen; es ist die letzte Quelle, aus der ich lebendiges, befruchtendes Wasser schöpfen kann. . . . . ich umarme Sie als Ihr getreuer Herzogenberg |
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