Herzogenberg und Heiden
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Aktualisierte Fassung
(Erstveröffentlichung in "Musik und Kirche", Heft 5/2000, Seite 309-316, Bärenreiter-Verlag)
 

Konrad Klek

Heinrich von Herzogenberg - nach hundert Jahren im Kommen?

Zur Rezeption eines (noch) verkannten Komponisten - Bemerkungen von einem nicht Unparteiischen


 
Am 9.10.1900 starb der Berliner Kompositionsprofessor Heinrich von Herzogenberg 57-jährig in Wiesbaden, wo er wegen seines Gichtleidens hingezogen war. Die letzten sieben Jahre seines Lebens hatte er sich verstärkt der Evang.Kirchenmusik gewidmet (Fussnote 1). Beliebt war und blieb eine Zeit lang sein 1894 entstandenes Weihnachtsoratorium "Die Geburt Christi". Die meisten Werke aber gingen spätestens im antiromantischen Fahrwasser der Singbewegung unter. Herzogenbergs reichhaltige vokale und instrumentale Kammermusik verschwand im Schatten seines Freundes Johannes Brahms, den er sich selber zum Leitbild erkoren hatte. Der 100. Todestag motiviert die Frage nach einer potentiellen Zukunft für die Rezeption der Werke Heinrich von Herzogenbergs.
 
Zunächst eine Bestandsaufnahme
Als vor gut 20 Jahren das 19.Jahrhundert auch in Kirchenmusik-Kreisen wieder hoffähig wurde, brachte der Stuttgarter Carus-Verlag von Herzogenberg neben den Liturgischen Gesängen als Reprint "Die Geburt Christi" und "Die Passion" wieder auf den Markt. Die einschlägigen Bedingungen des Weihnachtsgeschäftes bescherten ersterem inzwischen zahlreiche Aufführungen: Als Abwechslung zu "WO I-III" ist Herzogenberg willkommen, billiger wird’s auch (nur Streichorchester und Oboe), und der vorgesehene Einsatz eines Kinderchores paßt gut zu Weihnachten. Nur unter der Warte von "Die Geburt Christi" betrachtet, gerät Herzogenberg allerdings leicht in eine Schublade: Komponist volkstümlicher Kleinkunst. Es sind schlichte Weihnachtslieder vertont, zu viele für die hochkulturellen Sittenwächter. Da gilt nicht, daß der Komponist in erstaunlicher Satzvielfalt äußerst raffiniert und feinsinnig zu Werke geht und dabei einen Stimmungsverlauf gestaltet, der alles andere als klischeehaft oder plump ist: vom archaisch-ernsten "Hier leiden wir die größte Not" über das wunderbar innige "Es ist ein Ros entsprungen" genau in der Mitte und dem ausgelassenen "Nun singet und seid froh" bis zum grandiosen dogmatisch-affirmativen Schlußchor "Also hat Gott die Welt geliebt" (Fussnote 2). Vielleicht wirkt auch das Harmonium als Continuo-Instrument immer noch verdächtig - trotz Karg-Elert-Renaissance und -Gesellschaft. Oder liegt es daran, daß meist ein trockenes, neobarockes Orgelpositiv benutzt wird und damit die einzigartige Klangverschmelzung der Streicher mit dem Harmonium gar nicht Ereignis werden kann? Schließlich als rezeptionssoziologische Pointe die Integration von Gemeindegesang, was doch eigentlich zum kirchenmusikalischen Grundethos gehört: Man muß die Sätze eben leicht umschreiben und die Melodie zu "Wie soll ich dich empfangen" austauschen, damit es auch heute "funktioniert" und zum Erlebnis wird für Hörer wie Ausführende! (Fussnote 3)
Während das Weihnachtsoratorium (wieder) läuft, sind die Noten für "Die Passion" bisher kaum gefragt. Dabei bietet diese Passion vieles, was die heutigen Kantoreien für ihre Karfreitagskultur brauchen: anspruchsvolle, musikalisch und ausdrucksmäßig ergiebige Chöre zuhauf, die zudem auch sonst - zur Not Klavierauszug-begleitet - gut im Gottesdienst unterzubringen sind (zum Confiteor, zum Abendmahl, zu Psalm 27, 130 etc.). Das verlangte Streichorchester ist ebenfalls billig, bei den Solisten kommt man mit zwei Profis (Evangelist, Jesus) und vier Semiprofis (Vokalquartett) aus. Die Dramaturgie vor allem des zweiten Teiles ist stimmig und bezwingend. Keine einzige lange Arie strapaziert die Geduld. Der inhaltliche Gesamtduktus ist durchaus modern positiv mit einem überwältigenden Schlußchor a la "Messiah". Der Librettist Friedrich Spitta wollte gerade nicht in das Horn der heute erneut kritisierten Blut- und Sünden-Theologie stoßen. Freilich, ohne Harmonium geht es hier nun wirklich nicht - wegen der in Wagner-nahe Harmonik einkomponierten Dynamik ...
Aus den Liturgischen Gesängen für Chor a-capella ist das eine oder andere schlichtere Stück in ein Romantik-Chorheft gewandert. Diese formal äußerst vielfältigen Motetten wären eine dankbare Aufgabe für größere Chöre, die den Gottesdienst als eigene Gestaltungs- und Probenaufgabe ernst nehmen wollen. Dabei werden u.a. mit Advent und Totensonntag zwei wichtige Einsatzbereiche des Chores mit passender und ergreifender Musik beliefert. Und einzigartig ist immer noch die Kultivierung des Erntedankfestes mit einer eigenen Motettensammlung. Man braucht mit Herzogenberg Erntedank nicht zum naiven Pseudo-Volkskirchen-Geplänkel verkommen zu lassen! - In konzertante a-capella-Programme allerdings paßt diese liturgische Gebrauchsmusik in bestem Sinne weniger, da ist sie zu sehr dialogisch konzipierte Verkündigungsmusik.

Eine Bereicherung für solche a-capella-Programme namentlich von Kammerchören wären aber die bereits in den 70er-Jahren von Wilhelm Ehmann bei Bärenreiter edierten Motetten: "Das ist mir lieb" op.36 (ein weiterer respektabler Beitrag zum viel vertonten Psalm 116), die stellenweise knisternden vier Choralmotetten op.102 (u.a. zu "Mitten wir im Leben sind") und vor allem der zum dritten Todestag der Gattin Elisabeth vollendete "Dialog leidender und verklärter Seelen" aus op.103 mit einer an Schützens Exequien-Schluß erinnernden formalen und inhaltlichen Disposition. Auch die Romantik-geneigten Kammerchöre machen um diese gewiß hörerfreundlichen Werke (noch) einen Bogen, ganz abgesehen vom noch nicht durch Neuausgaben erschlossenen Feld der weltlichen Chor- und Ensemblemusik (Fussnote 4) ... Ein satt sechsstimmiges "Weihnachtslied" über die auch im Weihnachtsoratorium vertonte Strophe "Kommst du, Licht der Heiden", seinerzeit als op.57,6 einer Sammlung weltlicher Motetten eingeordnet, ist Ende 2000 im Carus-Verlag erschienen, revidiert nach dem in Berlin (Stiftung Preußischer Kulturbesitz) vorliegenden Manusikript. Diese nicht sehr schwer zu singende, formal perfekt disponierte und im Ausdruck sehr dichte Adventsmotette müßte allen Chören hoch willkommen sein, die auch in der Hochzeit des Kirchenjahres gerne mehr als vierstimmig singen wollen und können.
Manch geflissentliche(r) Organist(in) hat sich vielleicht die bei Doblinger verlegten Orgelwerke Herzogenbergs besorgt (Choralphantasien zu "Nun komm, der Heiden Heiland" und "Nun danket alle Gott", Choralvorspiele) - und alsbald wieder als "trockenes Zeug" zur Seite gelegt. Auch die neuen Romantik-offenen Choralvorspiel-Sammlungen negieren die EG-kompatiblen Choralvorspiele. Trockener als Brahms‘ Orgelwerke sind diese aber keineswegs, und auf guten oder gar zeitgenössischen Orgeln fangen sie durchaus zu singen an: Mit der Pastorale zu "Nun danket alle Gott" etwa läßt sich selbst auf einer pneumatischen Dorforgel von 1900 eine wunderbare Weihnachtsstimmung zaubern. Und für Silvester passt dieses weihnachtlich angehauchte "Nun danket alle Gott" erst recht ...

 
Ein neues Herzogenberg-Kapitel
Vor wenigen Jahren ist in Sachen Herzogenberg etwas passiert, was bei jedem Werk von Bach als Sensation in die Schlagzeilen käme: Von allen groß besetzten chorsinfonischen Werken wurden die verloren geglaubten handschriftlichen Partituren und Aufführungsmaterialien wieder aufgefunden. (Fussnote 5) Jetzt erst ist der Blick für jeden frei auf die wahre Größe Herzogenbergs, wie sie sich in diesen Werken voll entfaltet - ohne die selbst auferlegten Beschränkungen in Besetzung und Satzstruktur bei Weihnachtsoratorium und Passion. Der Trauermarsch etwa zu Beginn der Todtenfeier, op.80, geschrieben zum ersten Todestag seiner Frau Elisabeth - läßt den entsprechenden Satz 2 im Brahms-Requiem vergleichsweise statisch und schematisch erscheinen (Fussnote 6). Und das volltönende Ouvertüren-Kyrie der e-moll-Messe übertrifft an überzeugender Wucht alles, was man sonst als Messen-Einstieg kennt (Fussnote 7). Es zeigt sich, daß Herzogenberg nicht nur satztechnisch, sondern auch in der Instrumentation mit großem Orchester äußerst souverän agiert, durch überlegte formale und klangliche Pointen eine große Plastizität der Textumsetzung erreicht, die Chorstimmen und den Chorklang nie überfordert und damit in optimaler Weise zugleich die Hörer erreicht.
Folgendes sei aus eigener Aufführungserfahrung berichtet: Neben der ca. einstündigen e-moll-Messe erklang in einem "Weihnachtskonzert" am 4.Advent 1998 in Nürtingen u.a. Mendelssohns Choralkantate "Vom Himmel hoch". Die Hauptprobe begann mit Mendelssohn. Es erwies sich als aussichtslos, beim ersten Satz dieser Kantate dem Chor mehr Geltung gegenüber dem dicken Orchesterklang zu verschaffen. Dann war das Herzogenberg-Kyrie dran mit noch opulenterem Bläserapparat bis hin zu Baßtuba und Kontrafagott. Aber plötzlich war der Chor zu hören, wunderbar präsent im vollen Ouvertüren-Geschmetter. Da war evident geworden, wer der besser Komponist ist ... Eine aufwendige Neuausgabe im Carus-Verlag ermöglicht bald eine breitere Rezeption dieser wirklich großen Missa solemnis.
Dieses neue Herzogenberg-Kapitel wurde fort geschrieben am 5.November 2000 in Bielefeld, als das opus maximum, die 1898 vollendete, zweistündige "Erntefeier" ihre erste Wiederaufführung erlebte (Fussnote 8). Hier "durfte" Herzogenberg trotz der gemeindebezogenen Form des Kirchenoratoriums das volle Orchester zum Einsatz bringen. Er selbst hielt dies für sein reifstes Werk, das ihn garantiert überleben würde. Nach nur sechs Aufführungen seinerzeit ermöglichte die Wiederentdeckung nun der uneigennützige Einsatz eines PC-versierten Idealisten, der Partitur und Material erstellte. Ein solches Ereignis kann mit Mendelssohns Bach-Aktion 1829 parallelisiert werden! - Es wird aus dem 19.Jahrhundert kein theologisch so wohlüberlegt konzipiertes Werk geben wie dieses. Inhaltlich endet es ganz "up to date" genau so wie die 1995 erschienene Eschatologie von Jürgen Moltmann (Fussnote 9) und bringt eine grandiose Vertonung von dessen Lieblingsvers "Bei dir ist die Quelle des Lebens ...", ehe das "Gloria sei dir gesungen" (wie im EG-Stammteil!) den Schlußpunkt markiert. Der Komponist war als langjähriger Chorleiter des Leipziger Bach-Vereins chorerfahren wie kaum einer seiner Zeitgenossen, und darin eben Bach-bewandert und -geprägt. Und er hat die Ausführenden und Hörenden - jetzt in Bielefeld - in ihren hochgesteckten Erwartungen alles andere als enttäuscht!
Auf ihre Wieder-Erstaufführung warten noch von den Dimensionen her weit praktikablere Werke: das Requiem op.72 in c-moll in sehr chorfreundlichem, relativ verhalten-lyrischem Duktus (Fussnote 10) - wie bei Cherubini (billig!) ohne Solisten; der kürzere, ebenfalls solistenfreie Königspsalm op.71 über Texte aus den Jahwe-Königspsalmen, einst als prächtige Festmusik für die Festsitzung der preußischen Akademie der Künste zu Kaisers Geburtstag komponiert, durchaus übertragbar auf heutige Festanlässe. (Fussnote 11)
Auch der von Reubkes Orgelsonate her präsente Psalm 94 ("Herr Gott, des die Rache ist, erscheine") hat eine chorsymphonische Umsetzung erfahren, jedoch mit großem Aufwand: Vier Soli, Doppelchor, großes Orchester mit Orgel (Fussnote 12). Mit diesem als Opus 60 benannten Werk hat Herzogenberg kurz vor der ersten schweren Erkrankung seinen chorsymphonischen Reifestil entwickelt, der dann in den teilweise sehr zügig komponierten Folgewerken (Todtenfeier, Messe) sozusagen abrufbar war. Die Wieder-Erstaufführung am 25.Februar 2001 in Stuttgart durch den Philharmonia-Chor Stuttgart (Ltg. Helmut Wolf) hinterließ einen im Wortsinn "starken" Eindruck. Das ist eine "Wucht", die den berühmten einschlägigen Werken Bruckners (Te Deum, Psalm 150) nicht nachsteht.

 
Erbauliches im besten Sinne
Wer etwa die Liturgischen Gesänge zum Totensonntag kennt, weiß, wie elementar wohltuend, im besten Sinne seelsorgerlich Herzogenbergs Chormusik wirken kann. Dieser zu Herzen gehende "Ton" bestimmt auch die vier Gesänge für hohe Stimme, Violine und Orgel op.89, die bald in einer Neuausgabe bei Carus zugänglich werden. Hier sind nicht Bibeltexte vertont, sonder Klassiker-Dichtungen mit religiöser Tendenz: Mörikes Gebet "Herr, schicke was du willt", Eichendorffs "Komm, Trost der Welt" und "Länger fallen schon die Schatten", schließlich - besonders gelungen - Wanderers Nachtlied "Der du von dem Himmel bist" von Goethe. Diese Stücke sind einzigartige Perlen für die viel gefragte Konstellation Orgel plus ..., bestens geeignet auch für die Kultivierung von Kasualien, gerade weil die Texte weder Bibel noch Kirchenlied sind. Es ist schwer nachvollziehbar, wie solche Kunst einfach vergessen oder solche Empfindsamkeit und fromme "Rührung" gar unter Verdacht gestellt werden konnte.
Nochmals genuine Kirchenmusik ist die mit der posthumen Opuszahl 106 versehene Choralkantate "Gott ist gegenwärtig" für Chor, fünf Blechbläser mit Pauken, Streicher und Orgel, komponiert zum Tersteegen-Jubiläum 1897. Das mit etwa 20 Minuten Dauer liturgisch gut kompatible Werk ist eine durchgängige Vertonung aller Choralstrophen, wobei der Gemeinde mit vier Strophen ein gewichtiger Anteil verbleibt. Die zugleich bildhaften wie stimmungsträchtigen Texte der anderen Strophen sind in für Herzogenberg typischer Feinfühligkeit plastisch in Musik gesetzt, wobei ein stimmiges Gleichgewicht erzielt ist zwischen Bläser-gestützter Majestätshuldigung und herzensfrommer Innerlichkeit (nur zweistimmige Chorsätze je für Frauen und Männer). In Zeiten, wo auch im evangelischen Raum die Mystik neuen Aufwind erhält und Tersteegen darum neu geschätzt wird, sollte diese wahrhaft erbauliche Gottesdienstmusik Platz finden können. Der Carus-Verlag bereitet derzeit eine Neuausgabe vor. Die Aufführungskosten werden unter denen für eine Bachkantate im Gottesdienst bleiben. Mit guten Laienkräften bei Bläsern wie Streichern ist die Kantate zu meistern, und wiederum muß als großes Plus gelten: die Gemeinde ist unmittelbar einbezogen. Die Wieder-Erstaufführung im Festgottesdienst zum 100-Jahr-Jubiläum der Stuttgarter Lukaskirche (Fussnote 13) im April 1999 hat gezeigt, daß auch die ungewohnt hoch liegende Tonart A-Dur die Gemeindeglieder nicht vom Singen abhält: die Motivation durch das erhebende Instrumentalvorspiel ist einfach stark.

 
Herzogenberg und die Wissenschaft
Waren die ersten Neuausgaben von Herzogenberg-Werken noch nicht abgestützt von wissenschaftlichen Untersuchungen (Fussnote 14), so hat sich auch diesbezüglich inzwischen die Situation geändert: Eine umfassend recherchierte Studie von Bernd Wiechert zu Leben und Werk erschließt ein detailliertes Bild von Persönlichkeit und Schaffen Herzogenbergs und bildet mit ausführlichen Nachweisen die Grundlage für alle weiteren Studien (Fussnote 15). Bereits 1994 erschien die Arbeit von Ulrike Schilling über den Bachbiographen Philipp Spitta in seinen Briefen (Fussnote 16), die wegen des äußerst umfangreichen Briefwechsels mit dem Intimus Heinrich von Herzogenberg sehr viel authentisches, spannend zu lesendes biographisches Material bringt. Eine bald erscheinende, 1999 abgeschlossene Mainzer Dissertation von Charlotte Ebenig widmet sich speziell den Kirchenoratorien. Der liturgiegeschichtliche Kontext ist erschlossen in der Arbeit des Verf. über die ältere liturgische Reformbewegung (Fussnote 17). Eine für das Gesamtbild der Künstlerpersönlichkeit Heinrich von Herzogenberg nicht unwesentliche Untersuchung über dessen Gattin Elisabeth - mit einigen neuen bisher nicht zugänglichen Herzogenberg-Funden - ist derzeit im Entstehen (Antje Ruhbaum).

 
Herzogenberg und der Musikmarkt
Wenn man nach CD-Einspielungen mit Herzogenberg-Werken forscht, läßt sich ein Trend zu Neueinspielungen der vielfältigen Kammermusik beobachten. Namentlich die Klavierkammermusik (Cellosonaten, Klaviertrios, - quartette, etc., auch mit Bläsern) erfreut sich völlig zurecht eines steigenden Interesses (einige Veröffentlichungen bei cpo), während es im kirchenmusikalischen Bereich bei den Aufnahmen der "Geburt Christi" und der e-moll-Messe bleibt. Vielleicht zeigt dies, daß die allgemeine Entdeckung Herzogenbergs jetzt in Gang kommt und die Kirchenmusik überholt ...
Im Jubiläumsjahr 2000 sind auch einige Herzogenberg-Konzertreihen in Gang gekommen, angetrieben von einschlägigen "Idealisten": Das vom Altenberg-Trio-Wien getragene Brahmsfest in Mürzzuschlag/Österreich hat sich im September entschieden auf Herzogenberg gestürzt. Im Saarland waren vom 25.11. bis 17.12. Herzogenberg-Musiktage ausgerufen mit einer großen Bandbreite vokaler und instrumentaler Kompositionen (Fussnote 18). Das unter Leitung des Verf. stehende Institut für Kirchenmusik in Erlangen brachte im Wintersemester weitere Herzogenberg-Konzerte (Fussnote 19). Aber vor allem hat die Wahlheimat Herzogenbergs - Heiden/Schweiz bei Rorschach - den Erbauer der sehr reizvoll gelegenen Villa "Abendroth" nun entdeckt (Fussnote 20). In den Heidener Sommern entstanden die meisten kirchenmusikalischen Werke, und es lohnt sich, den "authentischen" Blick des Meisters auf den Bodensee einmal nachzuvollziehen, um zu erfassen, was der reale Kontext seines so wohltuend "positiven" Denkens und Gestaltens in Worten und Tönen war.
 
  1. Siehe des Verf. Beitrag: Friedrich Spitta und Heinrich von Herzogenberg. Sieben fruchtbare Jahre für die Evang. Kirchenmusik 1893-1900, Musik und Kirche 63,1993,312-318; 64,1994,95-106.zurück
  2. Die von mir in o.g. Beitrag (Anm.1) geäußerten Vorbehalte gegenüber der Gesamtdisposition sind inzwischen aufgrund mehrfacher Begegnung und eingehender Beschäftigung mit dem Werk gegenstandslos geworden. Frappierend ist u.a. die überlegte Tonartendisposition zwischen den für Weihnachten ungewöhnlichen Tonarten h-moll und H-Dur, was bei Herzogenberg auch in anderen Werken für die Spannung zwischen conditio humana (homo «Herzogenberg») und «himmlischer» Perspektive für den gläubigen Menschen (Herzogenberg) steht.zurück
  3. Die Erlanger Erstaufführung des Werkes im Januar d.J. brachte in allen Rückmeldungen begeisterte Stimmen gerade zu diesem Faktum der Gemeindebeteiligung.zurück
  4. Herzogenberg schrieb u.a. äußerst gelungene Romantiker-Vertonungen für Vokalquartett und Klavier: Vier Notturnos op.22 (Eichendorff), Drei Gesänge op.73 (Hebbel). Für weltliche a-capella-Chorlieder gibt es einige Opuszahlen.zurück
  5. Der Peters-Verlag hatte die Materialien nach dem I.Weltkrieg von Herzogenbergs Verleger Rieter-Biedermann übernommen. Die mangelnde Nachfrage ließ alles irgendwann im Leipziger Verlagshaus verschwinden. Nach der Wende übernahm Peters (Frankfurt) den zum VEB mutierten Leipziger Stammsitz, um ihn «abzuwickeln». Und da fand sich beim Ausräumen die Herzogenberg-Kiste ...zurück
  6. Die bisher einzige Wiederaufführung des Werkes fand unter Leitung des Verf. am Totensonntag 1997 in Nürtingen statt. Vgl. die Kurznotiz zum Werk in Musik und Kirche 68,1998,116f.zurück
  7. Siehe die Vorstellung dieser Messe durch B.Wiechert ebd., 86-93, im Anschluß daran findet sich eine Rezension der Ersteinspielung bei cpo durch den Mainzer Bachchor.zurück
  8. Aufführung in der Pauluskirche durch den Studio-Chor Bielefeld (Ltg. Martin Fugmann). Siehe Infos dazu und den gesamten Text der «Erntefeier» unter www.herzogenberg.de.zurück
  9. J.Moltmann, Das Kommen Gottes. München 1995. (Der letzte Band der «Dogmatik» des weltweit rezipierten Tübinger Theologen!)zurück
  10. Das Neusetzen dieser Partitur ist - wiederum in Privatinitiative - begonnen.zurück
  11. Dieses national empfundene Stück ist jedenfalls weit weniger bedenklich als Brahms Triumphlied op.55 auf den Sieg 1871 gegen Frankreich. (Vgl. dazu H.Chr.Stekel in MuK 68,1998,169ff.)zurück
  12. Alle diese Werke sind vorerst nur leihweise über den Peters-Verlag, Frankfurt, zu beziehen.zurück
  13. Wie kein anderes Werk repräsentiert dieses Stück den Geist der Kirchbauten um die Jahrhundertwende und muß damit für alle Gemeinden mit einem solchen Gottesdienstraum besonders interessant sein.zurück
  14. So finden sich in den Begleittexten oft unergiebig oberflächliche oder im Detail falsche Angaben: Die Uraufführung der Geburt Christi fand nicht, wie in der Carus-Ausgabe benannt, am 4.Advent 1893 in der Leipziger Thomaskirche statt, sondern am 3.Advent d.J. in St.Thomas zu Straßburg mit dem Akademischen Kirchenchor des Librettisten Friedrich Spitta.zurück
  15. B.Wiechert, Heinrich von Herzogenberg. Studien zu Leben und Werk, Göttingen 1997. Vgl. die Rezension in MuK 68,1998,131f.zurück
  16. U.Schilling, Philipp Spitta. Leben und Wirken im Spiegel seiner Briefwechsel, Kassel u.a. 1994 (=Bärenreiter-Hochschulschriften). Vgl. die Rezension in MuK 65,1995,222f.zurück
  17. K.Klek, Erlebnis Gottesdienst. Die liturgischen Reformbestrebungen um die Jahrhundertwende unter Führung von Friedrich Spitta und Julius Smend, Göttingen 1996.zurück
  18. Kontakt: Christoph Jakobi, Goethestr.7, 66386 St.Ingbert.zurück
  19. Z.B. Herzogenberg-Tag 1.11. mit Kammermusik, auch Gottesdienste am Totensonntag und 2.Advent mit Herzogenberg-Motetten. Informationen unter http://www.musik.uni-erlangen.de/zurück
  20. Kontakt: Kulturpodium Heiden, Andres Stehli, 0041/71/8911422 oder über www.herzogenberg.ch - info@herzogenberg.ch.zurück
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