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Julius Smend |
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Julius Smend (1857-1930), Professor für Praktische Theologie zu Straßburg,
schreibt im Correspondenzblatt des Evang. Kirchengesangvereins für Deutschland im 7. Jahrgang, 1894, über den ersten Akademischen Gottesdienst in Straßburg mit den Liturgischen Gesängen op. 81, 1 von Heinrich von Herzogenberg. Darin referiert er auch über Herzogenbergs bisherige Chorwerke und kommt auf das Weihnachtslied op. 57,6 zu sprechen (S. 30f.): |
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«Auf eine wahre Perle aus dem Bereich der bisher veröffentlichten a capella-Chöre möchte ich jedoch ganz besonders aufmerksam machen. Sie findet sich als letzte Nummer in den „Sechs Gesängen für gemischten Chor (op. 57)“ und behandelt sechsstimmig die erste Strophe des Adventliedes (hier „Weihnachtslied“ genannt) von unserem Ernst Christoph Homburg (1605-1681) „Kommst du, kommst du, Licht der Heiden?“ In vier kurze Sätze gliedert sich dieses wunderbare Gebet. Der erste, ein schwermütiger Mollsatz, die Anfangszeile umfassend, gibt in sehnsuchtsvoller Klage den rührendsten Ausdruck christlichen Verlangens, das sich nur bei dem Anruf „Licht der Heiden“ aus inbrünstigem Seufzen zu einigem Vertrauen erhebt. Nach langgehaltenem Schlußakkord und sinnvoller Pause bricht sich in hohen Tönen die helle Zuversicht gläubiger Erwartung Bahn: „Ja, du kommst und säumest nicht“. Doch nur einen Augenblick hält für jetzt solche freudige Stimmung vor; sie ende in der nach starker Steigerung mit aller Kraft betonten Negation. Der nun folgende dritte Teil führt uns still und ernst in den Schmerz und die Armut der betrübten Seele hinein: „Denn du weißt, was uns gebricht“; auf engem Raume ein doch sehr mannigfaches Bekenntnis eigener Schwachheit und Hülfsbedürftigkeit, das sich immer dringlicher gestaltet in den Worten „o du starker Trost im Leiden!“ Vor allem ist ein den wiederkehrenden Glaubensmut der Oberstimmen gleichsam dämpfender, langsam, chromatisch zum Licht aufsteigender Gang der Bässe ein ergreifendes Bild des trostbegehrenden, mit seinem Leide sich mühsam hinschleppenden Menschenkindes. Aber die Hoffnung behält den Sieg; während von den unteren Tönen einer nach dem anderen verstummt, bleibt in der Höhe der leise Zweiklang der Soprane. Und nun kehrt, die Weise des ersten Satzes in helles Dur verklärend, der bange Seufzer in die demutvolle, aber getroste Bitte verwandelt, wieder: „Jesu, meines Herzens Tür steht dir offen, komm zu mir!“ In den letzten Klängen zumal liegt eine Süßigkeit und Kraft der Beseligung im Glauben, wie sie nur einer tiefen Lebenserfahrung entquellen, wie sie ergreifender uns nirgends begegnen kann.»
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