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AGG Appenzellische Gemeinnützige Gesellschaft
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Heinrich von Herzogenberg – Daten eines unspektakulären, aber respektablen Künstlerlebens |
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10. Juni 1843 | Geboren in Graz als Sprössling eines ehemals französischen Adelsgeschlechtes, das seit der Revolution in Österreich Aufnahme gefunden hatte |
ab 1862 | Musik- und Jurastudium in Wien, hier erster Kontakt mit Johannes Brahms |
1868 | Eheschließung mit Elisabeth von Stockhausen und Übersiedlung in die Heimatstadt Graz, dort erfolgreiches Wirken im Rahmen der örtlichen Musikinstitutionen mit Uraufführungen eigener Großwerke, z.B. Columbus – dramatische Cantate op. 11, Deutsches Liederspiel op. 14, Odysseus – Symphonie für großes Orchester op. 16 |
1872 | Übersiedlung nach Leipzig, hier künstlerische Neuorientierung an der klassischen Tradition, Kompositionen jetzt verstärkt auf dem Gebiet der Kammermusik und des Kunstliedes |
1874 | Erstmals Brahms-Tage in Leipzig, bei denen ein lebenslanger freundschaftlicher Austausch des Ehepaares von Herzogenberg mit Brahms begründet wird |
1875 | Gründung des Bach-Vereins (Chor zur Aufführung von Kantaten Joh. Seb. Bachs) zusammen u.a. mit Philipp Spitta, ab Herbst 1875 Leitung dieses Chores und in der Folgezeit reger Kontakt mit dem inzwischen an der Berliner Musikhochschule tätigen Bach-Biographen Spitta |
1884 | Symphonie c-Moll op. 50, Verhandlungen wegen einer Kompositionsprofessur an der Berliner Musikhochschule, deren Direktor Joseph Joachim war |
1885 | Berufung nach Berlin |
1886 | Psalm 94 für Doppelchor, Soli und Orchester op. 60 |
1887 | Sistierung der Berliner Ämter wegen einer schweren Arthritis, welche die Resektion der rechten Kniescheibe erzwingt |
1889 | Nach Rekonvaleszenzaufenthalt in Nizza (u.a. Symphonie B-Dur op. 70) Rückkehr nach Berlin zum Herbst, jetzt auch als Herausgeber von Werken älterer Meister tätig |
1890 | Aufnahme in die Preußische Akademie der Künste, Königs-Psalm op. 71, Requiem op. 72 |
1891 | Die Herzkrankheit der Gattin Elisabeth bedingt eine Sommerkur im hessischen Bad Nauheim, anschließend erster Heiden-Aufenthalt mit Spontan-Entschluss zum Hausbau. Im Herbst gibt Herzogenberg abermals die Berliner Ämter preis, um seine Gattin zum Überwintern nach Italien begleiten zu können. |
7. Januar 1892 | Elisabeth von Herzogenberg stirbt 44-jährig in San Remo und wird dort bestattet. (Das Grabmal von Adolf von Hildebrand ist erhalten.) Im Sommer vollendet Herzogenberg den Bau des Hauses Abendroth in Heiden, das er fortan in den Sommermonaten als gastoffenes „Freundeshotel“ führt. Helene Hauptmann (Tochter des Leipziger Thomaskantors Moritz Hauptmann) übernimmt die Haushaltsführung. |
Herbst 1892 | Herzogenberg kehrt nach Berlin zurück und kann sukzessive (bis 1897) seine zwischenzeitlich anderweitig besetzten Stellungen an der Hochschule wieder einnehmen. Mit der Übernahme der Musikalischen Gesellschaft wird er auch wieder als Chorleiter aktiv. Über Weihnachten 1892 komponiert er zum ersten Todestag seiner Frau die chorsymphonisch besetzte Todtenfeier op. 80 auf Bibelworte und Choralstrophen. |
Sommer 1893 | Das erste Zusammentreffen mit dem Straßburger Theologen Friedrich Spitta in Heiden führt zu einer verstärkten Kompositionstätigkeit auf dem Gebiet der evangelischen Kirchenmusik, obgleich Herzogenberg katholisch ist (und bleibt). Friedrich Spitta gehört ab jetzt regelmäßig zu den sommerlichen Heiden-Besuchern. |
13. April 1894 | Plötzlicher Tod des Intimus Philipp Spitta in Berlin. |
Herbst 1898 | Infolge einer hartnäckigen Erkältung bricht die Arthritis wieder aus |
1899 | Kuraufenthalte, u.a. in Wiesbaden, von wo aus Herzogenberg zur Uraufführung seines opus maximum Erntefeier op. 104 in Straßburg am 10. Juli reist. Im September letzter Aufenthalt in Heiden. Ohne Aussicht auf Heilung reicht er in Berlin sein Emeritierungsgesuch ein. |
1900 | Nach einem unfreundlichen Winteraufenthalt in Nervi zieht Herzogenberg bleibend nach Wiesbaden |
9. Oktober 1900 | Tod Heinrich von Herzogenbergs, Bestattung auf dem Wiesbadener Nordfriedhof |
28. September 1902 | Einweihung des ebenfalls erhaltenen, von Adolf von Hildebrand gefertigten Grabmals |
Wie ein Berliner Kompositionsprofessor
nach Heiden kommt
Im 19. Jahrhundert pflegte nicht nur die „bessere Gesellschaft“ dem
Großstadtgestank und – lärm (Pferdegetrappel!) durch längere Aufenthalte in
der „Sommerfrische“ zu entfliehen, gerade auch Künstler zogen sich für
längere kreative Arbeitsphasen in die Natur der Berge zurück. „Wohin gehen
Sie diesen Sommer?“ ist eine Standardfrage in Mai-Briefen etwa der Künstler
im Freundesumfeld von Johannes Brahms, wozu neben Clara Schumann eben auch
die Herzogenbergs gehörten. Die Hingabe an schöpferische Tätigkeit im Sommer
schloss nicht aus, sondern wurde gekrönt dadurch, dass man in diesen Zeiten
geistesverwandte, sonst weitab wohnende Freunde empfing, mit ihnen
plauderte, musizierte und ihnen neue Werke vorstellte.
Das Ehepaar Herzogenberg hatte sich am Königssee bei Berchtesgaden ein Haus für solche Sommerfrische gebaut, das der Hobby-Architekt Herzogenberg als Reverenz an seine Frau Elisabeth (in Anspielung auf die Loreley am Rhein) Liseley getauft hatte. Ende der 1880er-Jahre musste dieses Haus aufgegeben werden, da die Krankheiten beider Ehepartner einen Aufenthalt dort verwehrten und die Behandlungskosten eine Finanzierungslücke aufrissen. Zu Beginn des Jahres 1891 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der schon jahrelang mit Herzproblemen belasteten Elisabeth von Herzogenberg, das Berliner Klima erschien zusehends abträglich, die Suche nach einem klimatisch günstigen Ort wurde dringlich.
Heiden, durch die Bergbahn seit 1875 für modernen Tourismus erschlossen, war in Berlin als Urlaubsadresse bekannt: Es fuhr sogar ein Kurswagen, der es der „feinen Gesellschaft“ aus der deutschen Hauptstadt ermöglichte, ohne lästiges Umsteigen nach Heiden zu gelangen, um hier mit entspannendem Blick auf den Bodensee und ohne die für Flachlandbewohner ungünstigen extremen Lebensbedingungen des Hochgebirges Bergluft und –sicht zu genießen. Die mit den Herzogenbergs eng befreundete Familie des Berliner Musikologen Philipp Spitta war schon früher in Heiden gewesen und gab wohl den Tipp.
Dass Heinrich von Herzogenberg in Heiden um der
Gesundheit seiner Frau willen eine Bleibe suchte, ist signifikant für dieses
geradezu ideale, kinderlos gebliebene Ehepaar. Gegenseitige Anregung in
künstlerischen Dingen – Elisabeth, als Heranwachsende in Wien auch
kurzzeitig Klavierschülerin von Brahms, war eine begnadete Pianistin mit
hoher musikalischer Auffassungsgabe – und aufopferungsvolle Fürsorge für den
Partner entsprachen sich. Auch außenstehende nahmen „die Herzogenbergs“ als
sich gegenseitig inspirierendes Künstlerpaar wahr, wo „einer als das Product
vom andern“ gelten konnte, wie Herzogenberg selbst es einmal formulierte.
In der gemeinsamen Bewältigung von Krankheiten erschienen sie anderen wie
„merkwürdig ideale Menschen, die es beinahe verstehen, dem Unglück noch
schöne Seiten abzugewinnen“. Sogar die im Zeitkontext sehr ungewöhnliche
Preisgabe von Ämtern auf seiten des Mannes zugunsten der Fürsorge für die
Frau wurde zum Zeichen solch idealer Partnerschaft. Es ist schon tragisch,
dass das gemeinsam mit und für Elisabeth und deren verwitwete Mutter
konzipierte (und finanzierte) Haus in Heiden von Herzogenberg dann ganz
alleine als Witwer bezogen werden musste. – Wenige Tage vor Elisabeth war
auch ihre Mutter verstorben. Aber auch diesem „Unglück“ wusste Herzogenberg
„schöne Seiten“ abzugewinnen, sehr schöne sogar, denn das Kapitel Abendroth
in Heiden wurde zu einem höchst ersprießlichen Lebensabschnitt, was die
folgende Chronologie belegt. (zum
Anfang)
Herzogenberg
in Heiden – Chronologie einer Zuneigung
1891
„Was sagst Du zu unserem Plane, nach Heiden zu gehen? Ich brauche noch eine
offene Gegend mit freiem Umblick …“ Diese Ankündigung in einem Brief
Herzogenbergs an Philipp Spitta vom 16. Juli aus Bad Nauheim ist die erste
Heiden-Spur in der Vita der Herzogenbergs. Mit Datum vom 3. August erfährt
der Freund und „Chef“ Joseph Joachim, einer der berühmtesten Geiger der Zeit
und seinerseits ein alter Brahms-Freund: „Die Stählung der Nerven erwarten
wir nun von dem mäßig-hohen, trockenen Klima von Heiden, das schon so
Manchem gute Dienste erwiesen hat. Nach dieser feuchten Mulde hier wird uns
der unendliche Horizont wohlthuen; auch wird es eine Erlösung sein, die
feinen süßlichen Park-Ansichten hier mit kräftigen Matten und Tannenwäldchen
zu vertauschen und den lieben Gott wieder mal unverfälscht zu genießen.“
Keine zwei Wochen später, am 15. August, kann Herzogenberg den Spittas
berichten: „Ich sitze auf dem bekannten Balcon der Schweizerhof-Dependance
bei strahlendstem Wetter aber in kühler leichter Luft, und schaue eben nach
Deutschland hinüber, das so einfach und verständlich mit dem schwäbischen
Meere abschließt, wie etwa der Rand der Erdscheibe zu denken war. …Ihr wißt,
wie schön es hier ist - daher verkneife ich mir jede Dithrambe! ... Meiner
Frau scheint die Luft sehr gut zu bekommen; man athmet hier wirklich bis in
die Fußspitzen hinunter, und hat gar kein spezifisches Gewicht mehr.“ Und
schon am 5. September ist die Überraschung für Spitta perfekt: „Lieber
Freund! Ich hab mal wieder die Feder mit der Mauerkelle vertauscht: wir
bauen ein hölzernes Bauernhäuschen dicht am ´3 Länderblick`! Heute kann man
schon in die Löcher für die Fundamente hinabgucken.“ Das neu errungene
„Vollgefühl des Lebens und Wohlseins“ und die Faszination Heiden führen zur
Spontanaktion Hausbau, was fast so kühn erscheint wie Luthers berühmtes
Apfelbaumpflanzen am Vorabend des Weltuntergangs. Aber schon am 1. Oktober
ist es aus mit dem „Vollgefühl“. Elisabeth hat einen Rückfall erlitten. Die
Herzogenbergs sind auf dem Weg nach Straubing zu einem Heilaufenthalt, wo
dann die Entscheidung fällt, den Winter in San Remo zu verbringen und die
Beamtenstellung in Berlin aufzugeben.
1892
Herzogenberg hat sich nach dem Tod seiner Frau (7.Januar) einige Zeit,
kompositorisch durchaus aktiv, in Florenz aufgehalten und kommt von da nach
Heiden in das neue Haus, um die Durchführung der letzten Bauarbeiten zu
überwachen. „Wie schwer mir der Anfang hier war,“ gesteht er Clara Schumann
am 14. Juni, „kann ich gar nicht sagen; dabei erfüllte mich aber die
unbeschreibliche Lieblichkeit der Lage und die rührende Herzigkeit des
Hauses mit innigen Hoffnungen auf die Zukunft meines Lebens.“ Zusammen mit
Helene Hauptmann, die nun „ganz von freien Stücken gern und für immer die
freundliche Wirthin zum Abendroth sein und bleiben will“, malt er ein
Namensschild für das Haus, auf dem alle drei Bauherren, respektive -damen
mit ihren Initialen eingraviert werden. „… unter`s Dach kommt / Zum
Abendroth / 18 C.v.St. E.v.H. H.v.H. 91“. Der Name entspricht nicht nur der
Abendrot-zugewandten Lage, sondern nimmt tiefsinnig Bezug auf das Gedicht Im
Abendroth des Lieblingsdichters Eichendorff, das Herzogenberg in früheren
Jahren bereits als Duett vertont hatte. Obgleich selbst noch keine 50 Jahre
alt, sieht er die Abend-Phase seines Lebens angebrochen und schreibt über
die Tür als Pendant das Bibelwort „Bleib bei uns,/ denn es will Abend
werden,/ und der Tag/ hat sich geneiget.“
Doch solche Abendstimmung schließt Zukunftshoffnung und Lebensfreude nicht
aus. Sichtlich fasziniert von den neuen Perspektiven im an Gästezimmern
reichen Gebäude, schreibt er detailliert seinen Berliner Spittas vom
Nutzungskonzept „Freundeshotel“ und freut sich auf die bevorstehenden
gemeinsamen Wochen mit der „Bande“ (Familie Spitta), welche aber nicht die
einzigen Gäste bleiben. Als musikalische Frucht dieses ersten Heidener
Sommers lässt sich zumindest die dritte Violinsonate op. 78, vollendet am 6.
Juli, dingfest machen, welche dann im September mit Stargast Joseph Joachim
an Ort und Stelle studiert wird. Auch mit Appenzeller Kulturschaffenden
sucht Herzogenberg den Kontakt. Im Nachlass von Alfred Tobler findet sich,
datiert „10. Sept. 92“, folgende reizende Einladung aus dem Abendroth: „Sehr
geehrter Herr! Würden Sie mir und meinen lieben Gästen die Freude machen,
nächsten Montag mit einbrechender Dunkelheit bei mir zu erscheinen? Und zwar
bewaffnet mit Musikalien? Es wäre gar schön, und machte einen angenehmen
Schlussaccord für diesen Sommer! Ergebenst Ihr H.v.Herzogenberg".
1893
Herzogenberg will jetzt jedes Jahr zumindest ab seinem Geburtstag am 10.
Juni bis September in Heiden leben, Freunde beherbergen und „arbeiten“, also
komponieren. Das ist oft immer noch Trauerarbeit über den Verlust der
Gattin, etwa im Medium von Liedern zu Eichendorff-Texten, die dann als
Elegische Gesänge veröffentlicht werden. Philipp Spitta, wiederum mit
Familie im „Freundeshotel“ einquartiert, vermittelt ihm jetzt als neuen Gast
seinen um einiges jüngeren Bruder Friedrich, Theologieprofessor zu Straßburg
und leidenschaftlicher Vorkämpfer für lebendige Liturgie via Kirchenmusik.
Ihm schreibt Herzogenberg post festum am 11. September: „Wir zehren noch von
den schönen lustigen Tagen mit Ihnen und hoffen für’s nächste Jahr auf ein
Da capo!“ Dem Brief beigegeben ist eine für ihn neuartige Arbeit, die der
Straßburger Gast in Auftrag gegeben hatte: die Liturgischen Gesänge op.
81/1, der komplette Bedarf an (a-cappella-) Chormusik für einen
Adventsgottesdienst nach Textvorgaben Spittas. „Ich hatte solche Freude bei
dieser Arbeit und lechze nach mehr“, bekennt der Komponist. Das Mehr kommt
in Textvorlagen für einen Passions- und einen Epiphaniasgottesdienst.
Friedrich Spitta leitet selbst den Akademischen Kirchenchor, der die von ihm
eingerichteten Akademischen Gottesdienste in Straßburg, St. Thomas,
ausgestaltet. Am 25. Februar des Folgejahres erlebt Herzogenberg selbst in
Straßburg den Gottesdienst mit seinen Passionsgesängen. Er ist ziemlich
glückselig und bietet seinem neuen Freund Friedrich Spitta das Du an ...
1894
In diesem Sommer muss Herzogenberg förmlich nach Heiden fliehen: Am 13.
April ist Philipp Spitta 52-jährig einem Herzschlag erlegen. Herzogenberg
hält es in Berlin nicht mehr aus, reist ab so früh es geht, Ende Mai. Auch
jetzt zeigt er sich in seiner Trauerarbeit äußerst produktiv. Eine große,
dem Gedenken Spittas gewidmete Missa solemnis hat er schon begonnen und
vollendet sie Mitte Juli in Heiden. Kaum ist die Messe fertig, kommt
Friedrich Spitta ins Abendroth, nun auch an seines Bruders Stelle tretend.
Das „da capo“ sieht also ganz anders aus als erhofft, gerät gleichwohl nicht
unlustig, wie ein späterer Bericht Spittas über diese Tage zeigt. Es wird
gewandert, in Wirtschaften eingekehrt, musiziert und disputiert und dabei
das Projekt Kirchenoratorium ausgeheckt: ein künstlerisch und geistlich
gehaltvolles, aber „mit einfachsten Mitteln“ zu realisierendes,
abendfüllendes Werk, das mit der Integration von Gemeindegesang die Trennung
von Konzertierenden und Publikum in ein Gemeinschaftserlebnis hinein
überwinden soll. Spitta entwirft sozusagen in Urlaubslaune das Textbuch zum
Weihnachtsoratorium Die Geburt Christi. Mitte August reist er wieder ab, und
Herzogenberg komponiert nun mit Feuereifer in wenigen Wochen sein Opus 90.
„Fertig!“ beginnt die Postkarte, mit der er am 19. September ankündigt, Ende
des Monats von Heiden nach Straßburg zur Bescherung zu kommen. „Wir machen
aber noch viel mehr Oratorien zusammen!“ heißt da der letzte Satz. Die
Straßburger Uraufführung am 3. Advent mit Spitta als Tenor-Evangelisten
dirigiert Herzogenberg selbst. Er erlebt dies als „das schönste Capitel
meines Lebens“.
1895
Auf dem Anweg nach Heiden ereilt Herzogenberg in seiner Heimatstadt Graz
eine Augenentzündung, die ihn mehrere Wochen dort festhält, so dass er erst
im Hochsommer seine Schweizer Wahlheimat erreicht. Von da sendet er Johannes
Brahms in dessen „Sommerfrische“ nach Ischl die eben im Druck erschienenen
Elegischen Gesänge und das Weihnachtsoratorium zu und versucht – vergeblich
– ihn zu einem Abstecher nach Heiden zu bewegen. Friedrich Spitta kommt erst
am 1. September. Im Reisegepäck hat er die intensiv durchdachte Konzeption
von Kirchenoratorium Nr. 2 Die Passion. Herzogenberg beginnt noch in Heiden
mit der Arbeit an seinem op. 93, hat daran aber bedeutend schwerer zu kauen
als am Weihnachtsoratorium. Zur Entspannung wendet er sich zwischendurch der
Kammermusik zu. Am 29.2.1896 schließlich ist die Passion fertig: „Ich weiß
nun gar nichts mehr mit mir anzufangen“, meldet er nach Straßburg, wo dann
am 22. März unter Spittas Leitung der erste (Gründonnerstags-)Teil zur
Uraufführung kommt. Herzogenberg ist diesmal passiv Ohren- und Augenzeuge
und bedankt sich am 27. März für die ihm zuteil gewordene Wertschätzung mit
den Worten: „Die Nachwelt wird`s ja wohl offenbaren, daß Ihr`s ein bißchen
übertreibt mit mir; es thut aber so wohl, und bringt wenigstens Alles heraus
was etwa in mir steckt. Also: vergelt`s Gott.“
1896
Im April hat Friedrich Spitta zusammen mit dem Freund und Kollegen Julius
Smend die Monatschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst gegründet, das
bald führende Organ für liturgische Fragen in Deutschland. Herzogenberg
lässt sich als Mitarbeiter einspannen nicht nur für die Komposition von
einfacheren Chorsätzen als Musik-Beilagen, sondern auch schriftstellerisch
für eine Grundsatzdiskussion „um das Wesen kirchlicher Musik“, wo er
argumentativ glänzend einen modern liberalen Standpunkt vertritt. Aus Heiden
lässt er den viel beschäftigten Straßburger am 23. Juli jedoch wissen: „Ich
hungre nach Texten und nach Deinem Anblick.“ Spitta schickt ihm als Ersatz
für sein vorerst ausbleibendes Erscheinen Arbeitsaufträge, das Genfer
Psalmlied „Wie lieblich schön, Herr Zebaoth“ und das sogenannte Kapeller
Lied Zwinglis, wofür der Freund alsbald – sozusagen in authentischer
Schweizer Luft – vierstimmige Chorsätze schreibt. Ansonsten sieht er sich
neben lästigen Korrekturenarbeiten für die Drucklegung der Passion
gezwungen, „allerhand unnützes Zeug“ zu treiben, also weltliche poetische
Texte zu vertonen. Er versucht auch, den Theologen mit der Aussicht auf
„Neues von Brahms“ nach Heiden zu locken. Gemeint sind die soeben
erschienenen Vier ernsten Gesänge, welche Brahms, begleitet von einem
durchaus ungewöhnlichen Briefwechsel, ins Heidener Abendroth hat senden
lassen, von wo aus sie sogleich begeistert kommentiert werden. Am Medium
dieser in der (biblischen) Textwahl sehr provokanten Gesänge führen Brahms
und Herzogenberg einen Schlagabtausch über den Sinn der Vertonung
geistlicher Texte, der aber letztlich zum Einverständnis führt, insofern
Herzogenberg in Brahms´ Werk die implizite Reverenz auf die von beiden
geliebte Tote, Elisabeth von Herzogenberg, erkennt und akzeptiert. - Als
Ende August Friedrich Spitta schließlich nach Heiden findet, bringt er die
ersehnten „Texte“ als inhaltliches Schwergewicht mit. Es ist das
hinsichtlich der theologischen Durchdringung gegenüber der Passion nochmals
gesteigerte Libretto von Kirchenoratorium Nr. 3 Erntefeier, eine groß
angelegte Reflexion über Geschenk, moralische Verpflichtung und
(transzendente) Zukunftsperspektive des Lebens. Da muss der gewissenhafte
Architektoniker Herzogenberg sich erstmal ausgiebig Planungszeit nehmen. In
seinem Weihnachtsbrief (20.12.) meldet er in typisch süffisanter Diktion:
„Unsere Erndtefeier feiert noch; vielleicht will ich’s gar zu gut haben,
drum genügt mir nichts; habe inzwischen auch allerlei Andres geschrieben,
bin aber ‚wenig froh‘“.
1897
Am Todestag von Johannes Brahms (Sonntag Judika, 3. April) dirigiert
Herzogenberg in der Berliner Marienkirche die erste Gesamtaufführung seiner
Passion. Zwei Tage später bricht er zur Beerdigung nach Wien auf. In
bewegenden Briefen an Freunde versucht er, den Verlust dieser geradezu
ideellen Bezugsperson zu verarbeiten: „Welch ein Abgrund ist die Zukunft!“
(5.4.) In Straßburg leitet wenig später Ernst Münch eine
Passion-Gesamtaufführung mit Spitta als Evangelist. Herzogenberg ist da und
trifft den extra angereisten Amsterdamer Freund Julius Röntgen, der 1894 als
einer der ersten Herzogenbergs neue Messe im Heidener Abendroth hat
bewundern können und dann im Dezember 1895 in Amsterdam auch zur Aufführung
gebracht hat. Mit der Erntefeier will es – zurück in Berlin - nicht recht
weiter gehen. Mitte Juni trifft Herzogenberg in seinem Heidener Refugium
ein. Im Gepäck hat er seine Geburtstagspost, darunter von Spitta als
„seltsames Angebinde“ Melodie und Text des Liedes Gott ist gegenwärtig,
verbunden mit der Bitte, zum 200. Geburtstag des Dichters Gerhard Tersteegen
im November eine Choralkantate zu schreiben. Nach anfänglichem Zögern wegen
der Melodie „von geringem Ausdruck“ gelingt Herzogenberg in Heiden wieder
einmal etwas aus einem Guss: vom 20. Juni bis 15. Juli entsteht in bestem
Sinne erbauliche, erhebende, feinsinnig die Liedtexte umsetzende Musik für
vierstimmigen Chor mit kleinerem Orchester und reichlich Gemeindebeteiligung
in vier der acht Strophen. Als Spitta Ende August wieder nach Heiden kommt,
empfängt ihn die fertige Partitur-Reinschrift. Überhaupt erleben beide die
gemeinsamen Tage dieses Sommers als Zeit besonderen Glücks, und Herzogenberg
gelingt jetzt auch wieder der Schwenk zum opus magnum Erntefeier. - Am
Totensonntag, 21. November, läuft dann Gott ist gegenwärtig in Straßburg vom
Stapel. Der Komponist meldet am selben Tage per Postkarte aus Berlin: „Gern
hätte ich zwei Flügel, oder wenigstens telephonischen Anschluss für heut
Abend.“
1898
Die ganze erste Jahreshälfte über bleibt die Erntefeier Herzogenbergs
Hauptbeschäftigung in Berlin neben den beruflichen Pflichten. Die
Sommer-Fahrt nach Heiden geht über Straßburg, wo letzte Details mündlich
geklärt werden. Am 2. Juli signiert er unter dem Schlusston der säuberlich
ausgeschriebenen Partitur mit stolzen 359 Seiten: „Heiden, 2. Juli 1898 HH.“
Das über zweistündige Werk kann als grandioser Schlussstein der
Oratorienkultur des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. - In diesem Sommer
darf sich Herzogenberg erneut als Architekt betätigen. Er gestaltet ein
direkt benachbartes Haus um, das die Berliner Hochschulkollegin Elise
Breiderhoff erworben hat und sinniger Weise Morgenroth tauft. Die Stimmung
bei der Einweihungsfeier am 16. Juli scheint blendend gewesen zu sein, den
Eintragungen in das erhaltene Gästebuch nach zu schließen. Weitere
Festlichkeiten im Morgenroth wie Goethes Geburtstag (28.8.), wozu wieder
Joseph Joachim anreist, und der Spitta-Besuch ab Ende August bringen die
letzte glückliche Zeit im Abendroth. Herzogenberg fordert von seinem
Theologenfreund neue „Arbeit“: Textvorlagen für durchkomponierte Biblische
Szenen als gottesdienstliche Evangelienmusik nach dem Vorbild von Altmeister
Heinrich Schütz. Am 9. September wird die erste, Das Kananäische Weib,
signiert. Bei der zweiten, größeren, Der Seesturm, verhindert der
Wiederausbruch des alten Rheumas im Herbst die Fertigstellung der Partitur,
welche Arnold Mendelssohn dann posthum besorgt.
1899
Herzogenberg kann krankheitsbedingt zunächst nicht nach Heiden kommen. Am
10. Juli, also ziemlich exakt ein Jahr nach Fertigstellung der Partitur,
erlebt er in Straßburg vom Rollstuhl aus die grandioseste Uraufführung eines
seiner Werke. Zur Krönung des dort abgehaltenen 15. Deutschen Evangelischen
Kirchengesangvereinstages wird in der Wilhelmerkirche vor der versammelten
Kirchenmusikerprominenz Deutschlands die Erntefeier gegeben. Wegen der
großen Nachfrage ist schon die Generalprobe am Tag zuvor öffentlich
zugänglich. Das Werk macht einen gewaltigen Eindruck. - Trotz der
Beschwerden zieht es Herzogenberg mit Macht nach Heiden. Ein letztes Mal ist
er im September da. Auch Kollege Joseph Joachim logiert wieder in Heiden und
sieht sich zwischen Morgen- und Abendroth hin- und hergerissen. Komponiert
wird im Abendroth nicht mehr, nur noch an Druckausgaben korrigiert, und
Helene Hauptmann, die hilfreiche Gefährtin der Heidener Jahre, verewigt „HH“
und „99“ in bis heute vorhandenen Wandtüren-Intarsien. Als Herzogenberg dann
sein liebes Abendroth verlässt, ist ihm wohl klar, dass es ein Abschied für
immer sein wird. Er notiert ins (eigene) Gästebuch wiederum Worte
Eichendorffs: „Ade, ihr Felsenhallen, du schönes Waldrevier, die falben
Blätter fallen, wir ziehen weit von hier ...“. Das hatte er schon sechs
Sommer zuvor, am 12.September 1893, als „der Spittchens Abschieds-Lied von
Heiden“ vertont und den scheidenden Gästen mitgegeben. Philipp Spitta aber
war nicht mehr wieder gekommen ...
1900
Herzogenberg ist im Rollstuhl gänzlich an Wiesbaden gefesselt. Das Heidener
Abendroth dient im Sommer lediglich als Dependance für Gäste des Morgenroth.
– Nach Herzogenbergs Tod am 9. Oktober bleibt das Haus jahrelang „tot“, geht
dann als wenig genutztes Urlaubsdomizil in den Besitz von Reichsdeutschen
über, die es in Folge der Inflation nach 1918 wieder abstoßen. Helene
Hauptmann ist noch jahrelang regelmäßiger Sommergast im Morgenroth, das
ebenfalls inflationsbedingt 1920 veräußert wird. Der Aufenthalt der
ehemaligen Morgenroth-Besitzerin Elise Breiderhoff anlässlich ihres 80.
Geburtstages 1929 in der Pension Nord wird die letzte Spur des
Herzogenberg-Kreises in Heiden sein, ehe mit dem Jahr 2000 von derselben
Pension Nord aus ein neues Herzogenberg-Kapitel in Heiden sich auftut ...
(zum Anfang)
„... Lenz muss doch wieder kommen und
alles auferstehn!“
Mit diesen (Eichendorff-)Worten aus Herzogenbergs Abschieds-Lied von Heiden
evozierte Friedrich Spitta gegen Ende seiner Rede zur Einweihung des
Grabsteins in Wiesbaden im September 1902 eine Zukunftsperspektive gegen den
Augenschein, der schon damals – aus verschiedenen Gründen - keine breite
Herzogenberg-Rezeption erwarten ließ.
Nachdem Neueditionen der beiden ersten Heidener Kirchenoratorien im
Stuttgarter Carus-Verlag schon seit den 1990er-Jahren einige Aufführungen
dieser Werke, vor allem des Weihnachtsoratoriums, vornehmlich in
Süddeutschland begünstigten, scheint nun 100 Jahre später solche
„Auferstehung“ von Heiden aus um sich zu greifen. Die Heidener
Herzogenberg-Konzerte, im Jubiläumsjahr 2000 als über das zweite Halbjahr
verstreuter Zyklus, in den Jahren 2001, 2002 und 2004 als dreitägige
Veranstaltungssequenz mit Vorträgen, Ortsbegehung und auch Gottesdiensten
durchgeführt, präsentierten Interessenten aus Deutschland und der Schweiz,
aber zuvorderst den Bewohnern von Heiden und Umgebung „ihren“ Herzogenberg
in der Vielfalt und Vitalität seines Schaffens wie seiner spannenden
Lebensbezüge zu anderen Persönlichkeiten. Mit der Geburt Christi (2000), dem
frühen Deutschen Liederspiel (2001), dem opus magnum Erntefeier (2002) und
mit Messe und Erster Symphonie (2004) kehrten Großwerke als erlebbare Musik
nach Heiden zurück, wie es sich der Komponist wahrscheinlich nie hat
vorstellen können. Chöre aus Heiden und aus der Umgegend, auch aus dem
Österreichischen Lustenau und aus Friedrichshafen jenseits des Bodensees
wurden zur Erarbeitung dieser Werke gewonnen. Die mit Herzogenberg befassten
Musikforscher (alle aus Deutschland) konnten in die Vorbereitung und
Durchführung eingebunden werden und somit ihrerseits die Faszination Heiden
erleben, wie sie seinerzeit Herzogenberg und seinen bei ihm logierenden
Freunden zuteil geworden war. Die entscheidende Rolle des „Freundeshotels“
übernahm nun an Stelle des Abendroth die von Anne und Andres Stehli geführte
Pension Nord. Fachwissenschaftliche Zuarbeiten wurden auf die Heidener
Herzogenberg-Homepage übernommen, so dass von hier aus eine breite Streuung
der Informationen möglich wurde. Auch für die im Sog des Jubiläumsjahres
2000 sichtlich zunehmende CD-Produktion von Herzogenberg-Werken, heute das
entscheidende Kommunikationsmedium für Musik, bietet die Homepage eine
zentrale Informations- und Vermittlungsstelle. Der so realisierte Konnex von
lokaler Vitalisierung und weltweiter Kommunikation im Internet scheint ein
Modell von Kulturförderung zu sein, das Zukunft hat. Letzteres allein bliebe
unglaubwürdig, wenn es nicht einen Ort gäbe, wo Herzogenberg tatsächlich
„lebt“ – sein geliebtes Heiden im Appenzeller Land.
(zum Anfang)
Nachwort
Solches „Leben“ bedarf allerdings der erheblichen finanziellen Zuwendung,
denn die an Modetrends und großen Namen orientierten kulturellen
Vermarktungsstrategien fördern die „Einschaltquoten“ bei
Geheimtipp-Veranstaltungen nicht gerade. Hier muss zur offenbar nicht
kontinuierlich fortsetzbaren Förderung durch öffentliche Hand und Sponsoren
und zum bisherigen immensen persönlichen Engagement eine strukturelle
Flankierung treten, welche auch in der Außendarstellung als repräsentative
Größe in Erscheinung tritt. So wurde im Rahmen der Herzogenberg-Tage 2004 der Verein Internationale Herzogenberg-Gesellschaft mit Sitz in Heiden gegründet, der sich über Mitgliederzuwachs freut, auf dass die Causa Herzogenberg und Heiden den Status einer Episode definitiv abstreifen wird.
(zum Anfang)
Internationale Herzogenberg-Gesellschaft
oder:Mit dem Label «Internationale Herzogenberg-Gesellschaft» konnten Dotationen und Stiftungsmittel in respektablem Umfang eingeworben werden, welche die Weiterführung der Konzerttage in Heiden auf hohem Niveau erlaubten. Die mehrfache Einbindung in das Bodenseefestival brachte zwar nicht unbedingt mehr Publikum, aber eine bewusstere Verankerung der Causa Herzogenberg im kulturellen Geschehen der Region. Im Jahr 2006 wurde diese mit einer Konzertfolge in Trogen, Friedrichshafen und Salem auch förmlich abgeschritten. Mit der Totenfeier hatte Heiden bereits 2005 ein chorsymphonisches Großwerk erlebt.
Ein fantastischer Höhepunkt war im Jahr 2008 die Uraufführung des in Handschrift erhaltenen Violinkonzerts, seinerzeit für Joseph Joachim geschrieben, von diesem aber nie aufgeführt. Hier bewährte sich wie in zahlreichen weiteren Konzerten die enge Vernetzung mit Kulturschaffenden der Region, denn Vorstandsmitglied Mario Schwarz und sein Collegium Musicum St. Gallen wagten mit der Geigerin Lisa Shnayder diese Großtat und brachten ein überraschend kurzweiliges und ohrenfälliges Werk ans Tageslicht.
An den Herzogenberg-Tagen 2007 wurde zum 100. Todestag des berühmten Norwegers Edvard Grieg dessen freundschaftliche Beziehung zu den Herzogenbergs in den Blick genommen. Dies motivierte den Präsidenten der Internationalen Grieg-Gesellschaft, Prof. Patrick Dinslage (Berlin), zu Recherchen in Bergen/Norwegen über Herzogenberg-Briefe und ließ ihn mit 22 Schreiben aus dem Briefwechsel mit Grieg in Heiden 2008 ein erstaunliches Ergebnis präsentieren.
Mit einer weiteren Uraufführung überraschte Christoph Jakobi (St. Ingbert/Saarland) die Gesellschafter-Versammlung im Jahr 2010. Via Internet hatte er das Manuskript eines Liedes von Elisabeth von Herzogenberg aus der Verlobungszeit bei einem New Yorker Antiquar ausfindig gemacht und erworben. Dieses Manuskript stammte aus dem Besitz der englischen Herzogenberg-Schülerin Ethel Smyth und ist in deren Memoiren erwähnt. Inzwischen ist es im furore-Verlag auch publiziert.
Der stabile Herzogenberg-Freundeskreis von 160 Gesellschaftsmitgliedern konnte auch die einerseits umfänglicheren, andererseits etwas privateren Kulturtage goutieren, die 2009, 2010, 2012 und 2014 unter dem Dach des Kulturpodiums Heiden veranstaltet wurden und das Augenmerk jeweils auch auf einen weiteren Komponisten legten (Schubert, Schumann, Brahms). Dabei wurden auch Ensembles und Künstler einbezogen, die bei der groß angelegten Herzogenberg-Produktion des CD-Labels cpo mitwirkten, etwa das namhafte Minguet-Quartett oder die Pianistin Natasa Veljkovic.
Das Jahr 2011 war ein Reisejahr mit einer sommerlichen Kulturwoche in Herzogenbergs langjähriger Wirkungsstätte Leipzig. Im November zuvor führte eine Reise zur Aufführung der Erntefeier, Herzogenbergs letztem grossen Werk, nach Speyer, verbunden mit Besuchen an des Meisters Grab in Wiesbaden und im einstigen Herzogenberg-Mekka Straßburg. Dabei zeigte sich die große Bedeutung der Kontaktpflege mit örtlichen Kulturinstitutionen und deren Unterstützung in Sachen Herzogenberg.
Das Medium CD ist heute entscheidend für die Verbreitung von Musik. Die Gesellschaft tritt hier in ganz verschiedener Form unterstützend in Erscheinung, von der Werbung und dem Vertrieb via Homepage über Booklet-Texte von den eigenen Fachleuten bis hin zu finanziellem Support. Inzwischen ist bei cpo die Kammermusik weitgehend zugänglich, die vielen feinsinnigen Lieder sind noch in der Warteschleife, die so herausragende Chormusik a cappella und mit Orchester steckt in den Anfängen.
Für die unerlässlichen Noteneditionen konnten einerseits der renommierte Peters-Verlag gewonnen werden (Liederspiel, Klavierstücke, Cello-Sonaten), andererseits hat der auf Chormusik spezialisierte Carus-Verlag seiner mustergültigen Edition der Messe e-Moll (2002) und weiterer Einzelausgaben nun zwei ambitionierte Chorbücher zur weltlichen wie geistlichen a-cappella-Literatur folgen lassen. Dies alles funktioniert nur mit beträchtlicher finanzieller Unterstützung, welche über die Gesellschaft organisiert wurde und durch ehrenamtliche Herausgebertätigkeit seitens ihrer Fachleute. In Zukunft wird wohl das kostengünstige Medium Internet auch für Noten in den Vordergrund treten.
In ein weiteres entscheidendes Medium schaffte es Herzogenberg im Jahr 2012: die in Heiden entstandene Kantate «Gott ist gegenwärtig» prägte einen ZDF-Fernsehgottesdienst im August aus Warnemünde an der Ostsee.
UMD Prof. Dr. Konrad Klek, Erlangen,
im Dezember 2012